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Wer ist im Bild? Instawalk im Museum Barbeini durch die Ausstellung "Von Hopper bis Rothko".

© Manfred Thomas

Instagram-Tour im Museum Barberini: Die Kunst, Kunst zu beobachten

60 Instagrammer schauten sich am Sonntag im Museum Barberini um. Dabei sahen sie sich nicht nur die Kunstwerke an.

Von Sarah Kugler

Menschen oder keine Menschen. Das ist die große Frage. Zumindest auf Instagram, der Smartphone-App, auf der Nutzer relativ schnell ihre Fotos mit der Öffentlichkeit teilen können. Gerade bei Instagrammern, die sich auf Stadt-, Architektur- oder Kunstansichten spezialisiert haben, scheint das eine Stilfrage zu sein. „Für mich bringen Menschen Leben in ein Bild“, sagt etwa Martin Schmitt. Der „clean look“, also das reine Objektbild sei hingegen auf Dauer langweilig. Er ist einer von etwa 60 Instagrammern, die am Sonntag zu einem sogenannten „InstaWalk“ in das Museum Barberini eingeladen wurden.

In einer kleinen Führung konnten sie sich zunächst einen Überblick über die aktuelle Ausstellung „Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne“ verschaffen und hatten anschließend noch Zeit, sich selbstständing durch die Ausstellung zu bewegen. Die Bilder sind auf Instagram unter den Hashtags #barberiniontour sowie #HopperRothko zu finden. Schon zur Eröffnung des Museums hatte das Barberini Instagrammer in die damals noch leeren Räume eingeladen, Blogger durften sich die letzte Ausstellung ansehen. Wie Johanna Köhler, Leiterin für Marketing und PR des Hauses, am Sonntag sagte, seien solche Veranstaltungen deshalb so interessant, weil Inhalte des Museums online diskutiert und somit weitergetragen würden. Die für die Instagrammer kostenlose Tour, erfolgt auf Einladung und wird nicht öffentlich ausgeschrieben. Wer aber Interesse an einer solchen Tour hat, kann sich beim Museum oder bei der durchführenden Agentur Artefakt melden. Entscheidend sei dann weniger die Followerzahl der Instagrammer, sondern die Qualität der Bilder, so Stefan Hirtz von Artefakt.

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Martin Schmitt liegt mit etwa 1000 Followern noch in dem Bereich, in dem Instagram ein Hobby ist. Allerdings eines, das er ernst nimmt. Der 32-Jährige ist studierter Historiker, promoviert zum Thema „Digitalisierung der Kreditwirtschaft“ und arbeitet im Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF). Auf seinem Instagram-Account @objektiver hat er sich vorrangig auf Architektur spezialisiert, in letzter Zeit sei aber auch immer Kunst dazu gekommen, wie er erzählt. „Ich war jetzt etwa auf der Documenta in Kassel“, so Schmitt und auch im Bode-Museum habe er schon bei einem Insta-Walk mitgewirkt. Im Barberini fällt sein Blick trotzdem zuerst auf das Treppenhaus: Seine Fluchten werden aufgenommen, die runden Lampen und immer wieder die Menschen, die sich im Haus bewegen. Auch die Betrachter vor den Bildern. Schmitt beobachtet, wie sie die Kunst wahrnehmen, ob sie ablehnend reagieren oder begeistert. Dabei achtet er darauf, Personen so gut es geht nur von hinten zu fotografieren. „Sonst kann es auch Ärger geben“, erklärt er. Die Architektur des Hauses hat er natürlich auch im Blick, findet sie allerdings nicht ganz so spannend. „Es ist alles sehr professionell komponiert, aber irgendwie fehlt der Überraschungsmoment, eine Brechung“, sagt er. Somit passe es aber auch gut in das auf glatt gemachte Stadtbild Potsdams.

Keine brotlose Kunst

Sein Instagram-Kollege Jörg Nicht sieht das ein wenig anders: Für ihn ist das Farbkonzept der Ausstellung faszinierend. „Das bewegt sich in blauen und grauen Tönen, die sich immer mehr verdichten“, so der 44-jährige Berliner, der sich vor allem auf Stadtansichten und Mobilität spezialisiert hat. Er nutzt Instagram seit Oktober 2010, hat die App etwa eine Woche nach ihrem Erscheinen entdeckt. „Ursprünglich habe ich Instagram nur genutzt, um mit einem Freund Bilder auszutauschen“, erzählt Nicht, der als Sozialwissenschaftler an der Universität Potsdam tätig war. Inzwischen kann er von dem ursprünglichen Hobby leben. Etwa 550000 Follower zählt er, die allein bringen aber kein Geld. Das verdient er mit Kooperationen. Etwa mit Automobilfirmen, deren Autos er fotografiert. Sogar einen eigenen Hashtag, nämlich #asundaycarpic, also „ein Sonntags-Auto-Bild“, hat er deswegen kreiert. Aber auch Smartphone- oder Kamerafirmen würden ihn bezahlen, damit er ihre Geräte testet. Seine Leidenschaft für die Fotografie hat der Wandel vom Hobby zum Beruf nicht geändert. „Früher sind Bilder vielleicht spontaner online gegangen als heute, heute überlege ich vorher etwas mehr“, sagt er. Ähnlich wie Schmitt interessiert auch Jörg Nicht sich nicht nur für die Stadtlandschaft an sich, sondern auch den Menschen. Meist ist eine Person in seinen Bildern zu sehen, manchmal auch er selbst. „Auf unseren alltäglichen Wegen bewegen wir uns häufig allein“, begründet er seinen Stil. Im Barberini hingegen fängt auch er Gruppen ein. Wie inszeniert sich der Tourist als solcher, welche Menschen schießen eher Selfies, welche suchen das perfekte Postkartenmotiv. All das fängt er ein, später werden die Bilder vorsichtig bearbeitet, wie er sagt. Nicht zu viel also, künstlich soll es nicht aussehen.

Zu gut besucht für ein Bild

Auch nicht künstlich, aber mit einem sehr künstlerischen Blick fängt hingegen Martin Pohl seine Beobachtungen ein – und steht dafür auch gerne sehr früh auf. Pohl ist nämlich ein Verfechter der „Clean Shots“, also Bildern ohne Menschen und die bekommt er nur dann, wenn erst wenige unterwegs sind. Somit ist ihm sogar das Wunder gelungen, die Spanische Treppe in Rom menschenleer abzubilden. Aber auch von Potsdam hat der 28-jährige Berliner am Wochenende beeindruckende Impressionen eingefangen. Interessante Perspektiven auf das Holländische Viertel oder das Nauener Tor etwa. Einige sind noch bis Montagnachmittag in einer Insta-Story zu sehen, also einer Bilderabfolge, die nur 24 Stunden auf Instagram einsehbar ist. Den Gedanken an ein menschfreies Foto im Barberini gibt er am Sonntag allerdings schnell auf - dafür ist die Ausstellung zu gut besucht.

Die Instagrammer lassen sich davon nicht stören: Fiona Hirschmann, die mit einer Spiegelreflexkamera, einer Systemkamera sowie ihrem Handy bewaffnet am Insta-Walk teilnimmt, nimmt sich in jedem Raum viel Zeit für ihre Bilder. „Ich möchte Geschichten mit den Bildern erzählen“, sagt sie. Auch für sie stehen die Menschen im Mittelpunkt, ihre Reaktionen auf die Kunst, ihre Kommunikation miteinander. Für die Berliner Fotografin, die ihr Alter nicht verraten möchte, ist Instagram als Medium deswegen so interessant, weil es schnell und leicht funktioniert. Aber auch, weil sich durch die App Netzwerke bilden und sie viele nette Menschen kennengelernt hat, wie sie sagt. Überhaupt kennen sich die meisten Instagrammer am Sonntag. Von anderen Insta-Walks, privaten Treffen oder sonstigen Veranstaltungen.

Kunstwerke im Mittelpunkt

Manchmal bringt der ein oder andere auch jemanden mit, die Gruppe erweitert sich. Die 31-jährige Nasrin ist am Sonntag so ein „Anhang“, wie sie selbst sagt. Für sie ist Instagram ein Hobby, auf dem sie vor allem ihre Leidenschaft für moderne Kunst und Street Art teilt. Im Barberini hat es ihr besonders Harold Joe Waldrum angetan, seine klaren Farben und Linien. Kein Wunder also, das auch Nasrin, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, die Kunstwerke auf ihrem Account in den Mittelpunkt rückt. Menschen finden sich auf ihren Bildern eher nicht. Auch auf der sich an die Barberini-Tour anschließende Bootstour auf der Havel, fallen ihr künstlerische Details ins Auge: Wolkenformationen, die Schiffsglocke. Architektonische Ansichten, wie etwa die Glienicker Brücke interessieren sie hingegen weniger.

Die anderen Instagrammer dafür umso mehr: Eine regelrechter Sturm geht los, als das Schiff unter der Brücke durchfährt, die Fotografen klettern auf die Bänke, knipsen wild drauf los. Mehrmals muss der Kapitän darauf hinweisen, dass auf den Bänken bitten nicht gestanden werden soll, im Wasser landet zum Glück niemand. Auch Martin Schmitt hat es die Brücke angetan. Für einen Architekturbegeisterten wie ihn, das perfekte Motiv. Ob mit oder ohne Menschen. 

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