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Kultur: In zehn Tagen um die ganze Welt

4. Globians-Dokumentarfilm-Festival im Alten Rathaus eröffnet

Schon seit Tagen leuchten die gelben Fahnen mit dem schwarzen großen G an der Fassade des Alten Rathauses. In diesem Jahr bereits zum vierten Mal. Aber, so sagt Joachim Polzer, der Festivalgründer zur Eröffnung des Globians-Dokumentarfilmfestes am Freitagabend, wahrscheinlich auch zum letzten Mal, denn das Alte Rathaus steht wegen der kommenden Sanierung im nächsten Jahr nicht mehr zur Verfügung. Und Polzer sieht auch sonst in Potsdam wenig Möglichkeiten, gleichzeitig vier Leinwände aufzubauen und sein Projektmodell für die kommunikative Vernetzung von unabhängigen internationalen Dokumentarfilmern weiterzuführen. Im September findet Globians deshalb zum ersten Mal in Berlins Mitte, im Kino Babylon, statt.

Doch am Freitag, fast zeitgleich wurde die Olympische Flamme in Peking entzündet, begann in Potsdams Mitte der Auftakt des diesjährigen 10-tägigen Festivalmarathons. 120 Dokumentarfilme aus aller Welt werden dabei insgesamt zu sehen sein und das Hauptthema des ersten Wochenendes war Tibet und China.

Begonnen wird auch hier mit Olympia. „The Olympic Projekt“ heißt die halbstündige Dokumentation der US-Amerikanerin Maryann Towne. Sie begleitet darin mit der Kamera ein außergewöhnliches Schulprojekt. Alle vier Jahre, genau wie die Olympischen Spiele, findet in einer Grundschule in Connecticut die jeweils eigene Version dieses internationalen Megasportereignisses statt. Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren, viele selbst mit deutlich sichtbaren Wurzeln aus allen Regionen der Erde, beschäftigen sich in fast allen Schulfächern – vornehmlich aber im Kunstunterricht – monatelang mit der Vorbereitung ihrer Olympischen Spiele. Am Ende steht eine wunderbare Präsentation in Form eines fantasievoll kostümierten Aufmarsches vieler verschiedener Länderdelegationen, von Sportwettbewerben in einigen olympischen Disziplinen und der szenischen Darbietung erworbenen Wissens. Die Dokumentarfilmerin zeigt sehr einfühlsam, was dieses Projekt für die Kinder und ihre Lehrer bedeutet. Und auch wenn es für die Kinder zuerst einmal ein großes spielerisches Abenteuer ist, wird auch für sie bald deutlich: Neben vielen Unterschieden gibt es noch mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen dieser Welt und es ist spannend und wichtig zugleich, in der globalisierten Welt voneinander zu wissen und einander zu achten.

Genau wissen wollte es auch der 27-jährige Dokumentarfilmer Lee Kazimir, der ebenfalls aus den USA kommt. Bei Werner Herzog hatte er gelesen, dass junge Filmemacher eher eine lange Wanderung machen als eine Filmhochschule besuchen sollten, um wirklich das Filmhandwerk zu erlernen. Das inspirierte ihn zu seinem Projekt „More Shoes“, einer 5000 Kilometer langen Fußwanderung quer durch Europa. Im März 2006 lief der Dokumentarfilmer mit einer Videokamera in Madrid los und kam im November des gleichen Jahres in Kiew an. Dazwischen lagen nicht etwa die üblichen Sehenswürdigkeiten einer Europareise, sondern viele ungewöhnliche Stationen und Situationen am buchstäblichen Wegesrand. Die Begegnungen mit Menschen aus acht verschiedenen Ländern – oft witzig und skurril in Szene gesetzt – vermitteln die interessante Sicht eines Nichteuropäers auf innere Befindlichkeiten dieses erst langsam zusammenwachsenden Staatengebildes.

Daneben dokumentiert Lee Kazimir mit einiger Ironie auch seine persönliche körperliche Verfassung während dieses langen Marsches und er kommt nicht umhin, am eigenen Leib zu verspüren, dass „vor der Kunst das Leben kommt“. Vom Festivalchef war zu erfahren, dass dem Filmemacher unterwegs bald das Geld ausging und er deshalb oft im eigenen Zelt campieren musste. Das sehr unterhaltsame und dabei keineswegs oberflächliche Roadmovie kam bei den Zuschauern der deutschen Erstaufführung in Potsdam jedenfalls sehr gut an. Leider hatten nur sehr wenige Besucher den Weg in Alte Rathaus gefunden, so dass die angereisten Filmemacher aus Irland, Schweden, Bangladesh, Brasilien, Mexiko und den USA an diesem Eröffnungsabend erst mal fast unter sich waren.

Eine weitere deutsche Erstaufführung war auch am Samstag zu erleben, die einstündige Dokumentation „The Tibetians. A Life in Exile“ des Iren Robb Bradstock. Er reiste 2007 nach Dharamsala und hatte Gelegenheit, mit prominenten Persönlichkeiten der Exiltibeter über ihren Kampf um die eigene Identität gegenüber den Einflüssen der modernen Welt zu sprechen. Vor dem beeindruckenden Panorama des Himalaja erfährt der Zuschauer, wie sich das Leben der buddhistischen Mönche im Exil verändert hat, wie wichtig Bildung für die Zukunft der Kinder ist und wie sehr der Dalai Lama an der Entwicklung einer tibetischen Demokratie interessiert ist. Der vielschichtige und differenzierte Dokumentarfilm zeigt auch, wie sehr gerade die junge Generation – nicht nur mithilfe moderner Kommunikationsmittel – auch ein Fenster zur Welt aufstößt und dabei im besten Falle die eigene Identität nicht verliert.

www.globians.com zu finden

Astrid Priebs-Tröger

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