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Kultur: In Echtzeit

Das Kuze bietet Festival mit Improvisationstheater

Alles entsteht genau hier, live und in Echtzeit. Keine Proben, keine Requisiten, keine vorgeschriebenen Texte. Es sind nur Wörter und blitzhafte Ideen, die, einmal den Köpfen des Publikums entsprungen, auf der Bühne gegeneinander prasseln. Es ist Spontanität gefragt, wenn sich beim 2. Potsdamer Improfestival im studentischen Kulturzentrum Kuze die Vorhänge heben oder eher die Schauspieler am Rand beinahe heimlich an ihnen vorbei auf der Bühne erscheinen.

Mit der studentischen Theatergruppe Uniater und den Mitgliedern von HotDocs trafen unter dem Titel „Localhelden“ am Montagabend die ganz jungen und die alten Hasen der Potsdamer Improvisationstheaterszene aufeinander.

Der Schreck war so gut wie jedem Gesicht im Publikum abzulesen, als klar wurde, dass es hier nicht nur um Zuschauen, sondern ums Mitmachen gehen sollte. Da war das etwas slapstickartige Einzählen von Fünf auf Null, das die Schauspieler auf der Bühne mit der nötigen Energie versorgen sollte, noch das Einfachste. Doch waren es die Zuschauer, die den Abend und die verschiedenen Formate des Improvisationstheaters, das auf der Bühne seine Form bekam, mit ihren Ideen und Einwürfen gestalteten.

Schon die erste Runde auf der Bühne ließ erahnen, dass der Abend nicht nach geregelten Bahnen, sondern durchaus gewollt chaotisch und unkontrolliert verlaufen sollte. Jeweils zwei Schauspieler spielten in der Mitte der kleinen Bühne, die gerade so ausreichend Platz für das Ausleben schauspielerischer Fantasien bot, eine Szene, um dann bei einem Klatschzeichen mitten in ihrer Handlung zu erstarren. Durch das Klopfen auf die Schulter wurde dann jeweils einer der beiden aus der Szene herausgelöst, sodass mit dem Dazugekommenen eine völlig neue Szene entstand, auf die sich der verbliebene Schauspieler zunächst einmal einstellen musste. So wurde aus der Angst, von einem Hochhaus zu springen, die Annahme, dass fälschlich angebrachte Hufen als Füße eines Menschen vielleicht nur akzeptabel wären, wenn man aus der Hölle käme.

Fiel es dem Zuschauer manchmal schwer, dem Treiben auf der Bühne folgen zu können, waren es vor allem die unerwarteten Wendungen, die wahre Lachanfälle beim Publikum auslösten. So ist es nicht unbedingt ein Heiratsantrag, wenn ein Mann vor einer Frau auf die Knie fällt, sondern es kann auch durchaus bedeuten, dass der Sohnemann mal wieder in die Windeln gemacht hat. Durch die verschiedenen Formate des Improvisationstheaters entstanden so spontan auf der Bühne die unterschiedlichsten Geschichten. Besonders Sina Schmidts gesangliche Darstellung im Horrormusical „Liebeskomödie mit erotischem Einschlag“, die das Publikum zu Applausstürmen hinriss, und „Antarktis trifft auf Damentoilette“, bei der vor allem Sophie Roeder mit einer unglaublichen Mimik ihre Damentoilette in eine Zeitmaschine verwandelte, entpuppten sich als wahre Schätze theatraler Kunst.

Ein unglücklich gewählter Zeitpunkt einer kurzen Pause stellte sich jedoch als wahrer Stimmungskiller heraus, sodass danach keine richtige Stimmung mehr aufkommen wollte. Starker Beginn, schwaches Ende, häufig am Rande der Gefahr, langatmig zu werden. Aber ein absolut lohnenswerter Ausgleich zu Potsdams sonstigem Theaterbetrieb – die Lokalhelden des Improvisationstheaters wissen, wie es geht, das Erzählen von Geschichten live, vor Ort und in Echtzeit.

Chantal Willers

Das Improvisationstheaterfestival geht noch bis zum 10. November im Kuze, Hermann-Elflein-Straße 10. Einzeltickets kosten 5/erm. 3 Euro. Weitere Informationen unter www. improfestival-potsdam.de

Chantal Willers

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