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Kultur: Im Leiden Hoffnung Grauns „Der Tod Jesu“

in der St. Nikolaikirche

Karl Friedrich Ramlers Dichtung zum biblischen Passionsgeschehen war in der Mitte des 18. Jahrhunderts überaus populär. Georg Philipp Telemann und Carl Heinrich Graun vertonten die Verse des Berliner Theologen und Philosophen. Vor allem „Der Tod Jesu“ des Hofkapellmeisters Friedrich des Großen, Carl Heinrich Graun, wurde bis ins späte 19. Jahrhundert hinein das meist aufgeführte Passionsoratorium. Für eine distanziert erzählende, liturgische Passion, wie sie Bach noch schrieb, taugt der Text Karl Friedrich Ramlers kaum. Zu sehr zielt er auf szenische Vergegenwärtigung und mitleidende Anteilnahme. Das Schöne aber ist, dass über allem der hoffnungsvolle Osterglaube spürbar ist. Die Publizistik zur Zeit Carl Heinrich Grauns bezeichnete das Passionsoratorium sogar als ein „Nationalwerk“.

Nikolaikantor Björn O. Wiede wählte das heutzutage nur noch selten aufgeführte Werk für die Karfreitags-Musik in der St. Nikolaikirche. Gemeinsam mit dem Nikolaichor, dem Kammerorchester der Philharmonischen Gesellschaft sowie den Solisten Johanna Krumin, Sopran, Joachim Buhrmann, Tenor, und Sebastian Bluth, Bass, hat der Kirchenmusiker eine sehr bewegende Aufführung gestaltet, der man sich nicht entziehen konnte.

Der Nikolaichor verstand es bestens, die dramatische Dichte, aber auch die empfindsame Ästhetik der Entstehungszeit dieses Werks zu präsentieren. Björn O. Wiede beeindruckte durch ein feinsinniges wie forderndes Dirigat vom Cembalo aus, das den Beteiligten genügend Freiräume zur stimmlichen wie instrumentalen Entfaltung ließ. Klar und sauber in der Intonation, homogen und mit viel Textnähe arbeitete der Chor. Erstaunt hörte man Choralmelodien, die sehr bekannt sind, so beispielsweise „O Haupt voll Blut und Wunden“ oder „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, natürlich mit anderem Text.

Die facettenreiche Darstellung und die in sich geschlossene Interpretation zeigte sich nicht zuletzt durch die Mitwirkung der Solisten, die teilweise sehr virtuose Aufgaben zu bewältigen hatten. Die Arien weisen ins Italien des Belcanto wie auch in den musikalischen „Sturm und Drang“. Dabei spürt man vor allem, dass Carl Heinrich Graun hierbei ein besonders ausgebuffter Arienschreiber für die Oper war. Klarheit, Leuchtkraft und furiose Dramatik zeichnete den plastischen Sopran von Johanna Krumin aus. So war beispielsweise die Arie „Ein Gebet um neue Stärke“ von barocker Klangpracht wie verhaltener Demut gekennzeichnet. Auch die Klangbilder, die der Tenor Joachim Buhrmann und der Bass Sebastian Bluth wiederzugeben hatten, wurden von ihnen lebendig und beseelt gesungen.

Mit dem Accompagnement „Es steigen Seraphim“ konnte man einem berührenden Wechselgesang zwischen Bass und Chor lauschen. Das Kammerorchester der Philharmonischen Gesellschaft, das auf historischen Instrumenten musizierte, wirkte in dem Geschehen stets subtil gestaltend und daher immer bestimmend mit. Die Musiker trugen wesentlich zu diesem würdigen Musikereignis am Karfreitag bei. Klaus Büstrin

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