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Kultur: „Ich warte, dass mein Leben anfängt ...“ Filmreihe zu „Jugend und Knast“ im Filmmuseum

Das Thema „Jugend und Knast“ scheint an diesem Abend nur wenige Besucher hinter dem Ofen hervorzulocken. Impliziert der Titel der aktuellen Veranstaltungsreihe im Filmmuseum, die am Freitagabend mit der Aufführung des Fernsehfilms „Guten Morgen, Herr Grothe“ eröffnet wurde, doch Klischees, die erst kürzlich im Hessischen Landtagswahlkampf plakativ hochgekocht wurden und seit dem Hilferuf der Berliner Rütli-Lehrer eine Vielzahl von Dokumentationen in allen Medien nach sich zogen.

Das Thema „Jugend und Knast“ scheint an diesem Abend nur wenige Besucher hinter dem Ofen hervorzulocken. Impliziert der Titel der aktuellen Veranstaltungsreihe im Filmmuseum, die am Freitagabend mit der Aufführung des Fernsehfilms „Guten Morgen, Herr Grothe“ eröffnet wurde, doch Klischees, die erst kürzlich im Hessischen Landtagswahlkampf plakativ hochgekocht wurden und seit dem Hilferuf der Berliner Rütli-Lehrer eine Vielzahl von Dokumentationen in allen Medien nach sich zogen.

Lars Kraumes fiktionales Lehrer-Schüler-Drama „Guten Morgen, Herr Grothe" entstand hingegen erst 2007 nach dem Rütli-Aufschrei. Im Mittelpunkt stehen der Deutschlehrer Michael Grothe und der Neuntklässler Nico. Sie treffen an einer Neuköllner Hauptschule aufeinander und machen sich gegenseitig das Leben schwer. Nico, der intelligente, um Aufmerksamkeit buhlende aggressive 15-Jährige, lässt keine Gelegenheit und kaum ein Mittel aus, um massiv den Unterricht zu stören und der überaus engagierte Grothe versucht alles – tägliche Förderung am Nachmittag inklusive – um Nico doch noch zum Lernen zu bewegen. Darüber vernachlässigt der Lehrer nicht nur den Rest der Klasse und sein Privatleben, sondern überschreitet nicht nur einmal Nicos und auch seine eigenen Grenzen.

Mit den allgegenwärtigen Klischees hat der in diesem Jahr mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Film indes wenig zu tun. Denn weder Nico, er stammt nicht aus einer Hartz-IV oder Migrationsfamilie und wird auch nicht total vernachlässigt, noch der idealistische und nervenstarke Lehrer passen so recht ins Bild. So sagte Lars Kraume am Freitag im anschließenden Publikumsgespräch auch, dass ihn „die aktuelle Bildungspolitik nicht interessiert“ und ihn stattdessen das archaische Grundthema – Jugendlicher rebelliert und sucht Liebe – viel stärker reize. So lässt er seine beiden unterschiedlichen männlichen Protagonisten sich so richtig ineinander „verbeißen“ und das Ergebnis des menschlichen Ringens offen. Klar wird allerdings, dass Nico am Ende diese Schule verlassen muss und Grothe sein Ziel, ihn in die Klasse zu integrieren, nicht erreicht hat.

Und an diesem Punkt legt der Film sehr wohl den Finger in eine der tiefsten Wunden des Bildungssystems. Wie geht unsere Gesellschaft mit renitenten, unangepassten und pubertierenden, zeitweise nicht bildungswilligen Jugendlichen (vor allem Jungen) um? Kann sie es sich weiterhin leisten, Schüler und Schülerinnen immer früher und stärker zu „sortieren“? Und die „bildungsfernen Schichten“ einfach links liegen und später in den Sozialhilfebezug rutschen zu lassen?

Auf solche Fragen wird man durch Kraumes sensiblen und vielschichtigen Film ziemlich direkt gestoßen. Vor allem auch, weil er deutlich zeigt, dass auch in den viel geschmähten Hauptschulen kreative und begabte Schüler sitzen, wie das 15-jährige Mädchen, die in Lehrer Grothes ambitionierten Deutschunterricht über sich schreibt: „Ich warte, dass mein Leben anfängt ...“. Spätestens an dieser Stelle zeigt der Film, dass es sich „lohnt“, auch und gerade in diese Jugendlichen zu „investieren“ – nämlich Geduld, Vertrauen und Zuneigung.

Die Reihe „Jugend und Knast“, die noch bis zum 31. Mai beinahe täglich im Filmmuseum läuft, hat indes nicht nur aktuelle Kinofilme über heutige Jugendthemen, sondern eine ganze Reihe ehemaliger DDR-Dokumentarfilme im Programm. Außerdem wird die in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung organisierte Veranstaltungsreihe um Vorträge und eine Podiumsdiskussion am 27. Mai ergänzt. Astrid Priebs-Tröger

Heute um 18 Uhr läuft der Spielfilm „Und wenns nur einer wär“ von Wolfgang Schleif (DEFA 1949), morgen um 20 Uhr wird der Dokumentarfilm „Gefängnisbilder“ von Harun Farocki (2007) gezeigt.

Astrid Priebs-Tröger

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