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Kultur: Ich bin ich und du bist du

„FlussPferde“ im Kindertheater des HOT

„Wo ist denn all das Warme und Runde geblieben?“ fragt das Pferd ganz erschrocken, als es die ehemals behäbige Spielgefährtin nach einiger Zeit wiedertrifft. Das gemütliche Flusspferd ist jetzt schlank, schön und misslaunig. Es ist auf Diät und treibt Sport. Denn es will so werden wie sein rassiges und elegantes Vorbild. Freiwillig! Na ja, nicht ganz.

Es ist fast wie im richtigen Leben, als am Donnerstagvormittag im Kinder- und Jugendtheater des Hans Otto Theaters die neue Spielzeit mit dem schwedischen Stück „FlussPferde“ von Anneli Mäkelä eröffnet wird. Beide Tiere, der leichte Tänzer und die schwere Schwimmerin, sind mit sich und ihrem Leben zufrieden. Rundum. Bis sie aufeinander treffen. Und sich gegenseitig übertrumpfen. Mit ihren vermeintlichen Vorzügen. Was sie nicht bedenken: Jeder lebt in seiner eigenen Welt und ist dafür bestens gerüstet. Doch zu dieser Erkenntnis führt ein schmerzhafter Weg, auf beiden Seiten.

Nora Abdel-Maksoud als liebenswerte Flusspferddame, in Latzhose, hellblauer Wollmütze und mit schwarzem Riesenschwimmreifen steckt am Ende im leichten Ballettröckchen und vollführt rasante Reifensprünge. Doch der Kleiderwechsel – vor der beiderseitigen Verwandlung trug Jan Dose als imposanter Hengst mit Sonnenbrille dieses Kostüm – verschafft ihr nicht die gewollte Erleichterung beziehungsweise ihm nicht die nötigen Pfunde, um im Wasser zu Hause zu sein. Jeder bleibt so wie er ist, auch wenn er beinahe alles tut, um äußerlich wie der andere zu werden.

Das wird in der Regie von Andreas Steudtner ohne erhobenen Zeigefinger und mit sehr viel Spielfreude erzählt. Die Zuschauerkinder, die zu beiden Seiten des breiten trägen Flusses sitzen, sind mittendrin im Spiel. Manche sogar so, dass sie beinahe zurückgehalten werden müssen, um nicht selbst mitzumachen. Vorwitzig erklären sie dem Flusspferd, was passiert ist, als es schlief, und lautstark kommentieren sie die imposante Fressorgie des Pferdes. Bewundernswert, wie die jungen Protagonisten, beide HFF-Studenten im vierten Semester und erstmals am Hans Otto Theater zu Gast, unter diesen „Umständen“ ihre Feuerprobe bestanden.

Aber die Begeisterung war gewollt und wurde unter Zuhilfenahme theaterpädagogischer Ideen (Dramaturgie: Manuela Gerlach) erreicht. Schon im Foyer wurden die Grundschüler zur Tierexpedition eingeladen: zum Nilpferde oder Pferde beobachten. Die Expeditionsleiterinnen Nila Hippopotamus (Ina Walter) und Frieda Schimmel (Franziska Zehe), beide im freiwilligen kulturellen Jahr, hatten dabei den Tropenhelm auf. Immer nahe am Streit und dem Versuch, einander zu übertrumpfen. Auch da griffen die Kinder ein, einige versuchten zu vermitteln. Außerdem genossen sie es sichtlich, ihre Kräfte im Tonnenrollen und Reifenklettern zu messen. Später, im „richtigen Spiel“, war es für sie nicht wichtig, Partei zu ergreifen. Beide Tiere erregten ihr Wohlgefallen oder ernteten ihre Missbilligung, beide wurden angefeuert oder ausgebuht. So konnten alle die intellektuelle Erkenntnis „Ich bin ich und du bist du“, ohne irgendeine Moral übergeholfen zu bekommen, im Theater hautnah erleben. Das fühlte sich witzig und leicht an und trug wie das schöne Schlussbild und die unaufwändige Bühne und Kostüme von Susanne Füller zur rundum gelungenen Inszenierung bei.

Weitere Vorstellungen: 11. , 19., 21. September, jeweils um 10 Uhr, 20. September um 10 und 14 Uhr.

Astrid Priebs-Tröger

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