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„Hunnewapp“ im Waschhaus Potsdam: Ein dadaistisches Desaster

Dass dieser Abend nicht mit einem posttraumatischen Belastungstrauma geendet hat, ist eigentlich nur einem Mitstreiter zu verdanken: Sebastian Fuchs. Dabei machte der Berliner Beatboxer in den Reihen der leicht in die Jahre gekommenen Musiker eigentlich eine tragische Figur: Während sich seine Begleiter in Dilettantismus austobten, machte Fuchs mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit den Abend für sich klar.

Dass dieser Abend nicht mit einem posttraumatischen Belastungstrauma geendet hat, ist eigentlich nur einem Mitstreiter zu verdanken: Sebastian Fuchs. Dabei machte der Berliner Beatboxer in den Reihen der leicht in die Jahre gekommenen Musiker eigentlich eine tragische Figur: Während sich seine Begleiter in Dilettantismus austobten, machte Fuchs mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit den Abend für sich klar. „The Art of Drums“ heißt die musikalische Reihe, die gerade im dritten Jahr im Waschhaus in der Schiffbauergasse stattfand; vorher gab es „The Art of Piano“ und „The Art of Guitar“ – beides ein großartiger Reigen von Virtuosen, die sich an ihren Instrumenten austobten: Höhepunkte bildeten Martin Tingvall 2014 am Klavier und Andy McKee im vergangenen Jahr an der Gitarre. Dieses Jahr fiel die Reihe mit dem bewährten „Drum Klub“ zögerlicher aus, immerhin bekam man mit „The Polyversal Souls Drum Club“ etwas Bedeutenderes in die Schiffbauergasse. Was der Donnerstagabend mit „Hunnewapp“ jedoch sollte, wird ein Rätsel bleiben.

Denn diese psychedelische Session, die sich verzweifelt zu etablieren versuchte, zog gerade mal eine Handvoll Besucher an – und all die Ferngebliebenen kann man eigentlich nur beglückwünschen. Zwar hat sich das Waschhaus den Ruf, musikalische Qualität zu liefern, redlich erkämpft, aber diese zweifelhafte Veranstaltungsreihe bekam wohl zu Recht von Anfang an die Aufmerksamkeit, die sie verdient: nämlich keine.

Hans-Karsten Raecke etwa stopfte etwas, das wie verkabelte Auto-Zigarettenanzünder aussah, auf eine Sternenkarte, „Rotationsvariationen“ nannte er das, dabei entstand abgespacetes Rumgedudel, das keinen musikalischen Sinn ergeben wollte – Hauptsache beschäftigt gucken. Klaus Kürvers am Kontrabass steckte Holzlatten zwischen Steg und Saiten und strich den Bogen von oben nach unten. Das Instrument ächzte gequält, Ratlosigkeit verschmolz mit Ungeduld und dem Wunsch, dem ausgebliebenen psychedelischen Effekt mit LSD nachzuhelfen. Danach gab es noch schauriges Getrommel, wohl dem Thema geschuldet.

Kurz vor Einsatz des Fluchtinstinktes kommt dankenderweise Sebastian Fuchs auf die Bühne: „Radio im Kopf“ heißt sein Beitrag. Er erzählt eine Geschichte über einen Irren, der in die Psychiatrie eingeliefert wird, weil er Stimmen hört, und montiert die Erzählung in den Kontext eines alten Radios, dessen Sender weitergedreht werden, mit Musik, Dissonanzen, Nachrichten – und alles ohne Instrumente. Das war genial! Ihm hätte der Abend gehören sollen. Stattdessen ging der Jammer anschließend weiter: Psychedelisches Sternenplingpling trifft Rilke. Da half auch nicht der völlig unkontrollierte Versuch, Loops und Percussion zu verknüpfen, wie im Anschluss geschehen: Als dann gleichzeitig Schlagzeug und Kontrabass vergewaltigt wurden, konnte man dem Drang kaum widerstehen, heiser „Avantgarde!“ dazwischen zu keifen, um dem Gefühl Ausdruck zu verleihen, dass man gerade von Dadaisten verhohnepipelt wird, die eine akustische Version von „Des Kaisers neue Kleider“ zum Besten geben. Fast ein wenig tröstlich, der Gedanke an eine sinnhafte Sinnlosigkeit. old

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