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Howard Griffiths letztes Konzert im Nikolaisaal: Regnende Rosen zum Abschied

Das soll es gewesen sein? Es fällt schwer zu glauben, das letzte Konzert von Howard Griffiths als Chefdirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt (Oder) in Potsdam erlebt zu haben.

Das soll es gewesen sein? Es fällt schwer zu glauben, das letzte Konzert von Howard Griffiths als Chefdirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt (Oder) in Potsdam erlebt zu haben. Nach elf Jahren verabschiedete er sich am Samstag im Nikolaisaal von seinem Potsdamer Publikum. Man möchte ihn festhalten, sagte nach dem 9. Sinfoniekonzert eine Besucherin während des Abschiedsfests in eine Runde hinein.

Man genoss noch einmal die Begegnung mit Griffiths, der auch ohne Frack und Dirigierstab ganz unverkrampft, herzlich und fröhlich seiner Potsdamer Fangemeinde gegenübertrat. Es gab viele Dankesbezeugungen, Geschenke und Blumen von Besuchern für den gebürtigen Engländer. Natürlich gab es auch offizielle Worte, doch ohne offiziöses Getöse, von der Kulturbeigeordneten Noosha Aubel und von Andrea Palent, der Chefin des Nikolaisaals. Und es regnete beim Schlussapplaus, der sich zu stehenden Ovationen ausweitete, Rosenblätter auf die Bühne.

Die Zurückhaltung, mit der die Potsdamer dem Staatsorchester nach der Abwicklung der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam im Jahre 2000 zunächst begegneten, wich. Die Konzerte mit den Frankfurtern erwiesen sich unter Griffiths seit 2007 zumeist als erfüllte Abende, da er in seinem Dirigat Präzision und schwingende Eleganz vereinen konnte. Im 9. Sinfoniekonzert erlebte man ein Programm, das Griffiths gern in Angriff nahm: Musik aus seiner Heimat, Werke zeitgenössischer Komponisten sowie von slawischen Meistern. Der Zugriff des Dirigenten auf die Werke war am Samstag nie trocken oder kurz angebunden, sondern ungekünstelt, voller Emotionen und Herzlichkeit.

Mit Edward Elgars gelegentlichem Hang zur Monumentalität begann das Konzert, der sich auch in der Konzertouvertüre op. 40 mit dem auf London ironisch gemünzten Titel „Cockaigne“ (Schlaraffenland) offenbarte. Dennoch weist das spätromantische Stück Mosaikcharakter mit fein ziselierten Zügen auf. Mit gewohntem Schwung waren Griffiths und das Staatsorchester bei der Sache.

Auch beim Musizieren mit der dänischen Blockflötenvirtuosin Michala Petri. Sie stellte das Konzert „Fei Ge“ (Fliegendes Lied) des chinesischen Komponisten Jianping Tang vor. Durch den spätromantischen, satten Orchestersound, die opulenten Instrumentalfarben könnte man das Stück für Filmmusik halten. Kadenzartige Soli spielte Petri mit traumwandlerischer Souveränität.

Johannes Brahms sagte über seinen Freund Antonin Dvorak: „Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle. Aus seinen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen zusammenklauben.“ Folgt man diesem Urteil, so könnten so manche Kollegen Dvoraks auch bei der 1890 uraufgeführten 8. Sinfonie in G-Dur einen ganzen Komposthaufen umgraben. In der Interpretation der Dvorak-Sinfonie durch Griffiths und die Frankfurter blühte und grünte es, wurde ein böhmisches Landschaftspanorama bildhaft in Musik getaucht. Ohne die Eleganz der Streicher hätte es diesen sinnlich strömenden Adagio-Traum nicht gegeben, ohne die Holz- und Blechbläser nicht die vielen Farben und Fortissimo-Gipfel. Einfach fantastisch, mit welchem Sensus sich das Staatsorchester in die so unterschiedlichen Stimmungen versenkte, mal slawisches Pathos, mal urwüchsig böhmisches Musikantentum. Klaus Büstrin

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