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Konzertprobe mit Kopfhörer. Das Orphon im Einsatz im Nikolaisaal.

© Stefan Gloede

Kultur: Hörtraining für Jung und Alt

Das Potsdamer Projekt Ohrphon zieht neue Kreise im Land Brandenburg

„Ihr seht, dass die Streicher immer so wackeln mit der linken Hand. Das macht den Ton klingender, schwingender. Man nennt das Vibrato“, erzählt die Stimme im Ohrphon. Was im Museum der Audioguide ist, ein sprechender Begleiter durch die Ausstellung, übernimmt im Nikolaisaal Potsdam das Ohrphon. Über einen kleinen Kopfhörer erzählt ein Fachmensch etwas zur Musik, die gleichzeitig im Konzertsaal erklingt. Jetzt geht das vor vier Jahren in enger Zusammenarbeit zwischen dem Nikolaisaal, der Kammerakademie und der Universität Potsdam entwickelte Projekt in eine neue Runde.

Ab sofort sind moderierte Besuche von Konzertproben in weiten Teilen des Landes Brandenburg möglich, wie Andrea Palent bei einer Pressekonferenz im Café Riciotti berichtete. Die scheidende Geschäftsführerin des Nikolaisaals freut sich, dass das maßgeblich von ihr ins Leben gerufene Konzept so gute Resonanz gefunden hat. Gleich drei Orchester werden jetzt mit dem Ohrphon arbeiten. Neben dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt/Oder, das von Anfang an mit dabei war, kommen nun auch die Zuhörer der Brandenburger Symphoniker und des Preußischen Kammerorchesters in den Genuss des Ohrphons. Zu den Förderern gehört die Plattform für Kulturelle Bildung im Land Brandenburg und die Mitteldeutsche Sparkasse.

„Für uns ist der mobile Charakter sehr interessant“, erklärt Elena Arbter von der Kulturplattform. „Die Barrieren zwischen der Orchesterwelt und den Zuhörern sollen abgebaut und das Hören soll trainiert werden. Da kann die Orchesterdirektorin des Brandenburgischen Staatsorchesters, Sabine Völker, nur zustimmen: „Es ist gut, wenn man nicht nur davorsitzt, sondern teilhaben kann. Man wird zu einem Insider.“ Schon jetzt sind zweisprachige Programme geplant, da das Orchester viele polnische Besucher hat. Während das Ohrphon nach wie vor auch bei Konzerten zum Einsatz kommen wird, konzentriert sich man mehr auf die Probenarbeit.

Dieses Format habe sich besonders bewährt, erklärt Auli Eberle, die im Nikolaisaal für Hörvermittlung zuständig ist. Ein Vorteil für die Orchester sei es, dass der laufende Probenbetrieb durch die Besucher nicht gestört wird. Als hilfreich erweisen sich auch bisherige Erfahrungen. So wurden die Schüler weiter auseinander gesetzt, erzählt Andrea Palent. „Wir haben ihnen gesagt, dass sich die Sender sonst miteinander verkoppeln.“ Natürlich sind die Ohrphone nicht nur für die Jugend sondern auch für die Generation 60 plus gedacht. Jede Zielgruppe soll „altersspezifisch und je nach Musikgenre“ belehrt werden, denn der Hörgenuss könne durch das Wissen um die musikalischen Zusammenhänge erheblich gesteigert werden.

Eine kleine Kostprobe gab es gleich im Nikolaisaal bei einer Probe des Filmorchesters Babelsberg mit der Band von Frank Dellé. Kommentator Professor Hartmut Fladt mäanderte dazu vom „Downbeat des Reggae“ über den „Typus der erzählenden Ballade“ bis hin zu einem Vergleich mit der Barockmusik. Was dort das Concertino war, ist jetzt die Band, während das Orchester die Rolle des Concerto grosso übernimmt, erklärte er im Ohrphon, während die Musik durch den Saal rauschte. So lobenswert die rationale Belehrung auch sein mag, stellt sich doch die Frage, warum Dinge, die früher in der Schule Thema waren, zunehmend von außerschulischen Institutionen übernommen werden. Wie auch immer das Experiment mit dieser Art der Hörvermittlung ausgehen mag, sicher ist,dass ein Vibrato besser gehört als erklärt werden kann. Denn der Zugang zum Herzen erfolgt durch das Gehör. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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