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Kultur: Hörrohr in die Geschichte

Edition mit Tondokumenten zum Kriegsende 1945 im Babelsberger Rundfunkarchiv vorgestellt

Edition mit Tondokumenten zum Kriegsende 1945 im Babelsberger Rundfunkarchiv vorgestellt „Merkt Euch, jeder, der die Maßnahmen, die unsere Widerstandskraft schwächen, propagiert oder gar billigt, ist ein Verräter! Er ist augenblicklich zu erschießen oder zu erhängen!“ hieß es in einem Führerbefehl vom 22. April 1945 an die Berliner Bevölkerung, überall an Bäumen und Ruinen angeschlagen. Merkwürdiges Gefühl, das noch immer strahlungskräftige Faksimile des Originals in Händen zu halten. Dies und das Abhören von Original-Tondokumenten zum Ende des Krieges 1945 ist jetzt für jedermann möglich. Der Braunschweiger Archiv Verlag präsentierte vergangene Woche damit die erste Lieferung einer neuartigen Edition, welche in Kooperation mit der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv (DRA) entstand und ausschließlich im Direktbezug über das 1971 gegründete Haus erhältlich ist. Es handelt sich um „Themenmappen“ zu ausgewählten Schwerpunkten des allgemeinen Publikumsinteresse, einer sinnlich erfassbaren Kombination von historischen Tondokumenten und Nachdrucken zeitgenössischer Prints, mit der man „Geschichte lebendig machen“ und gleichzeitig den Sammeltrieb der Deutschen ansprechen will. Gleich ob Kriegsende, Weimarer Republik, Mauerbau oder Kaiserzeit – all das kann per Abo bezogen und in gediegenen Mappen aufbewahrt werden. Begleittexte aus dem umfangreichen Autorenstamm des DRA ergänzen diese Reihe in den kommenden drei Jahren. Ihre Fachkompetenz scheint durch die Professoren Werner Knopp und Lothar Gall zwar verbürgt, ob sie aber wirklich „über jeden wissenschaftlichen Zweifel erhaben“ sind (Verlagstext), werden Nachgeborene erkennen. Die im Babelsberger Rundfunkarchiv vorgestellte Startausgabe enthält elf Tondokumente (32 Minuten) auf einer CD. Es kommen Besiegte und Sieger zu Wort, Kämpfer und Zivilisten: Man hört die mit ruhiger Stimme gesprochene Silvesteransprache Hitlers von 1944, worin er seinen Glauben an den Sieg formuliert, obwohl sie in den Ostgauen ohne „Feindeinsprüche“ schon nicht mehr gehört werden konnte; weiterhin die Meldung seines „Heldentodes“, aber auch Hörfunk aus der eingeschlossenen Festung Neiße/ Oberschlesien und einen Augenzeugenbericht über die Zerbombung Dresdens. Der „Sender Werwolf“ von der „deutschen Freiheitsbewegung“ kommt zu Gehör, im Wortlaut wird die Kapitulationsurkunde verlesen, danach erheben die vier alliierten Sieger Churchill, Truman, Stalin und de Gaulle ihre siegreiche Stimme. Richard von Weizsäckers Bundestagsrede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes schlägt dann die Brücke zur demokratischen Gegenwart. Konzeptionell wollten die Herausgeber mit dieser CD – ein Bonbon für Fachlehrer – die übliche „Verkürzung von Geschichte auf Zitate“ wie „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“ oder „Ich bin ein Berliner“ vermeiden. Erst der Kontext gäbe das Bild. Dazu gehören die Faksimile-Beigaben, sieben im ganzen: Doenitzens „Tagesbefehl“ an die Deutsche Wehrmacht nebst umseitigem Aufruf an das deutsche Volk („Schenkt mir Euer Vertrauen, denn Euer Weg ist auch mein Weg“), mit einem zackigen „Wenden!“ zu lesen, zwei sehr interessante Presse-Repros vom 3. und vom 8. Mai, die Schreibmaschinenfassung der Kapitulationsbedingungen auf Englisch und in Deutsch. Ein Aufruf der Roten Armee vom 27. April, „getrost durch die Frontlinie“ überzulaufen, denn „hier seid Ihr in Sicherheit!“) markiert wohl die Grenzen alles Dokumentarischen. Man weiß heute mehr. Trotzdem, „Europas größter Verlag für Geschichte“ (350 000 Inlandskunden, 40 Produktreihen) hat ein „Hörrohr“ in die deutsche Vergangenheit gesenkt, um so Geschichte auf neue Art „erlebbar zu machen“. Nach der preisgedämpften Erstausgabe wird man für jede Lieferung monatlich etwa 20 Euro bereithalten müssen – die nächste lauscht der Gründung zweier deutscher Staaten 1949. Bestellungen: www.historynet.de

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