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Kultur: Hochkarätiger Hörgenuss

Christian Brückner las „Brokeback Mountain“ im Kunstraum

Dass am Wolchenende nicht mehr Besucher den Weg in den Kunstraum in der Schiffbauergasse gefunden hatten, konnte weder am Stoff der Lesung noch an ihren Interpreten liegen. „Brokeback Mountain“ stand schon kurz nach seinem Start weit oben in den Kinocharts und Christian Brückner gilt als der bekannteste und profilierteste Synchronsprecher hierzulande.

Und: diese Geschichte hat es in sich. Die inzwischen über 70-jährige Schriftstellerin Annie Proulx hat die Erzählung 1997 erstmals in einem Magazin veröffentlicht und bereits im selben Jahr wurde die ungewöhnliche Story für die Kinoleinwand entdeckt. Aber erst die zweite Adaption von 2005, vom taiwanesischen Regisseur Ang Lee machte die bittersüße Liebesgeschichte über Nacht weltberühmt. Erzählt wird vom Schicksal der Cowboys Jack und Ennis, die sich 1963, beide gerade 19-jährig, unsterblich in einander verlieben und es während der kommenden zwei Jahrzehnte doch nicht schaffen, miteinander glücklich zu sein.

Das geht nicht nur zu Herzen, sondern zeigt außerdem wie in einem Brennglas sowohl enge gesellschaftliche Konventionen als auch individuelle Traumata auf. Und bringt ganz „nebenbei“ noch einen großen amerikanischen Mythos ins Wanken. Darüber hinaus ist die Erzählung ein kleines literarisches Meisterstück, mit sparsamen aber beieindruckenden Naturschilderungen und präzis dargestellten Charakteren auf nicht einmal 50 Seiten. Darin fühlt sich Autorin in den männlich harten Kern von Ennis und Jack ebenso gekonnt wie in die weiche Schale ihrer Protagonisten ein. Und: sie wird niemals rührselig.

Christian Brückner hat dieses Kleinod bereits 2006 in seine eigene Hörbuchedition „Parlando“ aufgenommen. Nun las er „Brokeback Mountain“ - zum zweiten Mal live und ungekürzt – und mit musikalischer Begleitung durch seinen Sohn, den renommierten Berliner Jazzgitarristen Kai Brückner vor. Vor allem die besondere und sensible „Zweistimmigkeit“ von Vater und Sohn verhalf der Story dabei zu einer ganz eigenen und großartigen Präsenz. Beide Interpreten hatten ein ungeheures Gespür für die Problematik, die Gefühle der Protagonisten und die Atmosphäre der Geschichte.

Während Christian Brückner mit seiner unnachahmlich rauen Stimme die eigentliche Liebesgeschichte fast beiläufig erzählte, nahm sich der Gitarrist immer wieder den Raum, die Sehnsucht nach Liebe und Freiheit, die sich in der spröden Prosa von Annie Proulx eher zwischen den Zeilen verbirgt, mit den eigens für die Hörbuchfassung geschaffenen Kompositionen zum Klingen zu bringen. Manchmal konnte man dabei das Gefühl haben, an einem knisternden Feuer zu sitzen und einer uralten Mär beinahe atemlos zu lauschen. Was im Film die Großaufnahmen der Landschaft und der Gesichter schaffen, leisteten hier die markante Stimme sowie die einfühlsame und dabei sparsame Interpretation der Westerngitarre.

Darüber hinaus hatte man Gelegenheit, auch den überaus „nervösen“ Sprecher als Schauspieler hautnah zu erleben, der nicht nur mit seiner Stimme sondern sichtlich mit seinem ganzen Körper „spricht“. Das Christian Brückner einer der besten seiner Zunft ist, ist kein Geheimnis, hier aber passte er einfach unglaublich gut. Nicht zuletzt erlebte man im Vergleich zum Kinofilm eine sehr verdichtete und noch um einiges stärker vibrierende Liebesgeschichte. Die Zuhörer dankten mit langanhaltendem und herzlichen Applaus den für hochkarätigen Hörgenuss. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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