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Kultur: Herr Fernando erzählt Geschichten

Der Schauspieler und Regisseur Detlef Gohlke will vor allem eins: Clown sein. Im Frühjahr hat seine mit Liedermacher Gerhard Schöne inszenierte Clownsgeschichte „Die blaue Ampel“ Premiere

Schwungvoll legt Detlef Gohlke den altmodischen Handkoffer mitten auf den kleinen Bistrotisch. Mit einem schelmischem Lächeln im jungenhaften Gesicht schlägt er den Deckel zurück. Zum Vorschein kommen, nicht etwa wie bei einem Vertreter, Knöpfe oder Stoffmuster, sondern ein kleines Theateruniversum, das auch zwei ältere Damen am Nebentisch sofort in seinen Bann zieht: Schicht für Schicht liebevoll gestaltet, erscheint zuerst ein Bühnenbild in Klein, ein Schminkplatz mit Spiegel und zerdrückter Clownsnase, und, ganz unten eine CD-Rom und eine kleine Fotodokumentation von „GOIGOI“, dem Stück, das dem gleichnamigen, von Gohlke begründeten Potsdamer Clownstheater seinen Namen gab.

Seit 2003 begeistert Detlef Gohlke als Herr Fernando, gemeinsam mit seiner Clownspartnerin Katja Rogner als Frau Trotzki, große und kleine Zuschauer mit der poetischen Geschichte um ein rotes Seidentuch und das tapfere Mädchen Lea. Im letzten Jahr erfand er als Clown Rodolfo, nach der wunderbaren Geschichte von Gioconda Belli, die luftigsten Märchenwesen der Welt – die Schmetterlinge.

Und jetzt steht er wieder vor einer Herausforderung: Gemeinsam mit dem befreundeten Liedermacher Gerhard Schöne und Katja Rogner erarbeitet er „Die blaue Ampel“ – eine Clownsgeschichte mit Liedern für die ganze Familie, nach Motiven eines Kinderbuchs von Jutta Richter. Premiere soll noch in diesem Quartal sein. Diesmal wird es um die Dunkelheit, ums Angsthaben und ums Beschwipstsein gehen. Und wieder will Detlef Gohlke als Herr Fernando Geschichten erzählen, die an unseren Urängsten und Urlüsten rühren, die existentielle Fragen stellen – und trotzdem mit einem Lachen das Leben leichter machen.

Sein Weg zum Clown verlief nicht geradlinig. 1988 begann er sofort nach seiner ersten und einzigen Aufnahmeprüfung ein Schauspielstudium in Leipzig, doch schon zwei Jahre später wusste er nicht mehr, ob dieser Weg der richtige für ihn ist. Inmitten der Auflösung der ehemaligen DDR ergaben sich plötzlich so viele Möglichkeiten für junge Menschen: Gohlke hätte Entwicklungshelfer werden, eine Weltumseglung machen oder eine Firma gründen können. Zudem war das Studium mehr als intensiv, setzte ihn früh unter Druck und beinahe fühlte er sich ausgebrannt.

Über eine Freundin, die Sozialarbeiterin war, kam er Anfang der 90er Jahre mit verhaltensauffälligen Kindern in Berührung, die jedoch mehr vom Balgen und Toben als vom Theaterspielen hielten. Aus diesem freiwilligen Engagement wurde dann nach dem doch noch abgeschlossenen Schauspielstudium sein erster Broterwerb. Als einer der wenigen männlichen Sozialarbeiter im Leipziger Stadtteil Plagwitz bot er verunsicherten Jungen mithilfe von Erlebnispädagogik viele Freiräume, sich auszuprobieren. So sah die eine Hälfte seines Tages aus.

In der anderen zog es Detlef Gohlke in die Leipziger Inselbühne, hier suchte er neue Orientierung, konnte seine verschüttete Spielfreude in sehr clownesken Nibelungen- und Hamletparodien wiederfinden. Außerdem wollte er als Regisseur arbeiten, am Leipziger Poetischen Theater probierte er sich aus. Als im Osten Mitte der 90er Jahre Sozialarbeiter mit Ausbildung „nachwuchsen“, war auch für ihn eine Professionalisierung vonnöten. Über die Fortbildung in Spielpädagogik kam er mit Improvisationstheater in Berührung und ging danach von 1996 bis 1999 zum Theatersport nach Berlin. Dort durfte er erst nach einem halben Jahr intensiven Trainings selbst auf die Bühne. „Das war die Feuertaufe für den Clown“, sagt er heute. „Vorher hätte ich nicht sagen können, dass ich Clown bin, aber eigentlich war er (der Clown) schon immer dabei.“ Denn bereits 1988 zeigte er während des so genannten Einstandsprogramms der Erstsemester eine Clownsszene, hatte damals aber ganz schnell das Gefühl, dass er diese Begabung dort nicht entwickeln kann.

Elf Jahre später gründete er in Potsdam die Improvisationstheatergruppe „Skatchmo“ und gemeinsam mit Andreas Hueck das „Poetenpack“. Doch es dauerte noch weitere vier Sommer, bis er den „GOIGOI“-Stoff und seinen vielversprechenden Weg als Clown gefunden hatte.

Dass der zu ihm passt, zeigen nicht nur die Einladung 2004 zum internationalen Kindertheaterfestival „Panoptikum“ nach Nürnberg, sondern dass es spielend und beinahe wie von selbst weitergeht.

Apropos mühelos: Das besagte Köfferchen enthielt außerdem noch eine Beschreibung seines aktuellen Projekts und die Damen und Herren vom Fond Darstellender Künste Bonn und vom Potsdamer Kulturamt ließen sich von der gelungenen Präsentation überzeugen und machten für das Theater „GOIGOI“ erstmals eine Förderung möglich.

Astrid Priebs-Tröger

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