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Sakraler Raum. Der Altar der Heilandskirche in Sacrow.

© Kitty Kleist-Heinrich

Kultur: Heilandskirche Sacrow, eine Wundergeschichte

Angelika Kaltenbach veröffentlicht´die erste Monografie über das Gotteshaus.

Die malerisch-romantische Heilandskirche in Sacrow stand nach dem Mauerbau 1961 im Niemandsland. Zwar konnten die Gemeindemitglieder noch für gut vier Monate in Begleitung von Grenzsoldaten zwei Mal monatlich das Gotteshaus besuchen, doch am Heiligabend 1961 wurde die letzte Christvesper gefeiert. Mauer, Grenzzaun und Todesstreifen verhinderten den Zutritt. 1964 erhielt Gemeindepfarrer Joachim Strauss die Erlaubnis, „seine“ Kirche aufzusuchen. „Nie hätte ich einen derartigen Vandalismus in unserem Kulturkreis für möglich gehalten. Ich war zutiefst entsetzt über das Ausmaß der Zerstörung und des Verfalls“, notierte er in seinen Erinnerungen. Doch ab Heiligabend 1989 zog neues Leben in die Heilandskirche ein. Die erste Christvesper nach dem Mauerfall wurde gefeiert.

Die Historikerin und Denkmalpflegerin Angelika Kaltenbach erinnert in ihrem Buch „Die Heilandskirche am Port zu Sacrow“ an die Zeiten des Mauerbaus, des Verfalls und an das Wiedererstehen des Gotteshauses, das zu den „anmutigsten Schöpfungen, welche der Umgebung Potsdams beschert wurden“ (Friedrich Mielke) gehört. Erstmals erscheint über die Kirche eine umfassende Buchpublikation. Herausgeberin Angelika Kaltenbach hat neun Autoren gewinnen können, die kenntnisreich über diesen Ort preußischer und deutscher Geschichte Beiträge schreiben. Sie sind teilweise deswegen so eindrucksvoll, weil die Verfasser nicht vom „grünen Tisch“ aus berichten, sondern sich bei der Wiederherstellung des Gotteshauses persönlich engagierten. Auch das reichhaltige Foto- und Dokumentationsmaterial vergegenwärtigt die Geschichte in vielfältiger Weise.

König Friedrich Wilhelm IV. ließ direkt an der Havel die Heilandskirche am Port mit Campanile (1843/44) erbauen. Sie ist eine zu Stein gewordene Italiensehnsucht, die sich mit dem Bau von Kirchen nach dem Vorbild römisch-altchristlicher Basilisken, Schlössern und Villen in der Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft auf Schritt und Tritt manifestiert. Die Heilandskirche ist ein Werk des genialen, doch jung verstorbenen Architekten Ludwig Persius. Ramona Simone Dornbusch erläutert in ihrem Beitrag anhand der Sacrower Kirche die Kirchenbauprogrammatik Friedrich Wilhelms, die von der tiefen Religiosität des Königs zeugt.

Angelika Kaltenbach hat sich in ihrer Veröffentlichung besonders der Wiederherstellung des Gotteshauses in den Jahren nach 1990 zugewandt. Nicht mit trockener Aufzählung wird aufgewartet, sondern mit lebendig geschriebenen Aufsätzen. Spannend ist der Zeitzeugenbericht von Matthias Hoffmann-Tauschwitz, der über den Verfall und die Rettung des Gotteshauses erzählt. Mitte der achtziger Jahre hatte es ruinösen Charakter angenommen, was man in West-Berlin bemerkte. Der Herausgeber des Tagesspiegels, Franz Karl Maier, und Richard von Weizsäcker, damals Berlins Regierender Bürgermeister, taten sich zusammen, um der Kirche ein neues Dach zu geben. Die Tagesspiegel-Stiftung und der Senat gaben je 500 000 Mark, und Weizsäcker leitete das Geld an den Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR weiter. So konnte das erste der Wunder vollbracht werden, die der Heilandskirche mehrmals widerfuhren, bemerkt Hoffmann-Tauschwitz. Von solchen „Wundern“ berichten auch die anderen Beiträge: von der Instandsetzung und Restaurierung des Kirchenschiffes und des Campanile nach dem Mauerfall, von dem heroisch wirkenden Wandbild von Carl Begas in der Apsis oder von der Sacrower Orgelgeschichte, die 2009 mit der Inbetriebnahme des neuen Instruments von Christian Wegscheider gekrönt wurde. Auch der Text über 170 Jahre Erlebnisgeschichte, den die Herausgeberin verfasste, zeugt davon. Von Freud und Leid ist da die Rede, doch vor allem von der dankbaren Freude der Wiedererstehens dieses besonderes Ortes. Klaus Büstrin

Angelika Kaltenbach (Hg.), „Die Heilandskirche am Port zu Sacrow“, Strauss Edition Potsdam 2017, 24,90 Euro

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