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Bis heute wird die Metal-Szene weitestgehend von männlichen Anhängern dominiert, die gern auf Martialisches zurückgreifen, allerdings auf ironische Lesart.Damit spielt auch die Potsdamer Band Sunna Sepdoom.

© promo

Heavy Metal in Potsdam: Tod, Verderben, Sanssouci

In den 90er-Jahren war Potsdam Hochburg der Metal-Szene. Heute wandert die Subkultur ab. Dennoch übt diese Musikrichtung nach wie vor Reiz auf viele Potsdamer aus.

Potsdam - Wenn die Anhänger von Heavy Metal als blutrünstige, rohe Satanisten wahrgenommen werden, dann freut sie das sogar. Keine andere Musikrichtung pflegt ein derart provokatives Image, das nichts anderem dient, als an die Angstbilder des kollektiven Bewusstseins zu appellieren: Tod und Teufel, Monster, Zombies, Krieg – allesamt ikonografische und textliche Elemente von Metal. Das soll auf Außenstehende abschreckend wirken, und das tut es auch zuverlässig, bietet gleichzeitig aber ein ideales Identifikationspotenzial.

Kein Wunder also, dass diese Leidenschaft fast grundsätzlich in der rebellischen Teenager-Zeit einsetzt. Kein Wunder aber auch, dass dieser Rückgriff auf das Martialische bis heute von männlichen Anhängern dominiert wird, folgt Metal doch, zumindest in seiner Urform, oft mit Männlichkeit konnotierten Ritualen. Die Anhängerschaft hat sich jedoch mittlerweile mehr und mehr geöffnet, reine Frauen-Metalbands etwa sind längst keine Seltenheit mehr. Und als sich 1998 der Sänger der britischen Heavy-Metal-Band Judas Priest, Rob Halford – der für seine Leder- und Nietenkluft bekannt war und gern mit einem schweren Motorrad auf die Bühne kam –, als homosexuell outete, juckte das niemanden. „Ich denke, die meisten Leute wissen, dass ich mein ganzes Leben lang ein schwuler Mann gewesen bin“, kommentierte Halford lapidar. Heavy Metal lebt von Ironie, man ahnt es schon. Und vom Polarisieren.

Polarisierung auch in Potsdam

Auch in Potsdam wird fleißig polarisiert, es gibt noch Metalbands in der Barockstadt. Für die Freunde Dirk Baar und Hendrik Suhl etwa war früh klar, dass sie irgendwann gemeinsam in einer Metalband spielen wollen. Während Suhl bereits als Sänger auf Bühnen stand, stand Baar oft daneben als Roadie – bis er sich dann doch eine Gitarre zulegte, zu spielen begann und das Versprechen einer gemeinsamen Band einlöste. Damals hatte Suhl bei der Potsdamer Band Loco gesungen, zehn Jahre lang bis zur Auflösung 2009 ein Aushängeschild der Potsdamer Metalszene. Der Drops sei aber für ihn gelutscht – zu lange her, da gibt es für ihn nichts mehr zu kommentieren, mittlerweile ist er aus dem Schatten von Loco raus. Seit 2007 gibt es Sunna Sepdoom, am Samstagabend spielt die Band mit den Kollegen von Koprom im Club Charlotte in Potsdam.

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Es wird Metal der härteren Gangart serviert, Death Metal – Todesmetall: Die Gitarren sind tief gestimmt, der Gesang ist noch tiefer, ein animalisches Röhren, die deutschen Texte triefen vor Tod und Verderben. Sänger Suhls Kopf scheint mit seinem Bart nur aus Haaren zu bestehen, die Arme sind zutätowiert. Wenn es Klischees gibt, dann sollen die auch bedient werden. Suhl sieht sich selbst als Tagträumer, der in den lichtarmen Wintermonaten am kreativsten ist, da falle es ihm leichter, über den Rand des Lebens nachzudenken. Viel Zeit zum Reden hat er nach der Probe nicht, er muss früh raus: Ein Job als Sonderpädagoge im Oberlinhaus ist nichts zum Ausschlafen. Pädagogen und Death Metal, ist das nicht ungewöhnlich? „Im Gegenteil“, sagt er. Er habe mal eine Statistik gesehen, laut der außergewöhnlich viele Metalfans in sozialen Berufen arbeiten. Dass ein Krankenpfleger etwa sich auf einer inhaltlichen Ebene mit Sterben beschäftigt, bietet sich ja auch an. Klarer Fall von Katharsis, oder?

In den letzten Jahren gab es ein Metal-Revival

Es gibt aber auch eine britische Studie aus dem Jahr 2007, die eine signifikant hohe Zahl an Studierenden ausmachte, die Metal als ihre Lieblingsmusikrichtung angaben. Der Grund: Metal ist komplex und anspruchsvoll, aber gleichzeitig verrufen. Jörg Jung und Martin Klink von der Potsdamer Band Koprom sind beide Informatiker, der erste Schlagzeuger war Physiker. Zufall? Vielleicht, aber dass es viele aus dem sozialen Bereich gerade zum Metal zieht, haben die beiden auch schon gehört. Bassist Klink muss es wissen: Er ist einer der Veranstalter vom „Metalkeller“, einmal im Monat ein Konzertabend im Nil-Klub. Dort hat er aber auch etwas ganz anderes festgestellt: „In den letzten Jahren gab es ein Metal-Revival.“ Plötzlich kommen 18-Jährige in Kutte, die sich was von Black Sabbath wünschen. Die Retrowelle ist im Metal angekommen.

Potsdam selbst ist jedoch alles andere als retro: In den 90er-Jahren gab es noch Konzerte en masse, im Archiv, in der Bertini-Villa, in der jetzt eine Anwaltskanzlei ist, oder in der „Fabrik“ in der Gutenbergstraße, die 1993 geräumt wurde. Mittlerweile scheint die Metalszene abgekoppelt, bis auf den „Metalkeller“ und ab und zu ein Konzert im Archiv. Neben Koprom gibt es bei den alten Hasen noch Madstop und Reizgas, auch einige jüngere Bands spielen wieder Metal, The Walls Concave, Betalmand, Step Into The Hellgarden. Früher sei mehr los gewesen, aber eben auch mehr Mist dabei, sagt Jörg Jung von Koprom, die 2002 in den Kellerproberäumen vom Archiv anfingen. Diese Zersplitterung der Potsdamer Metalszene sei auch in den 90er-Jahren begründet: viele Konzerte, viele Projekte, viele Musikrichtungen. Anders als heute.

Neuer Proberaum ist in Werder

Viele kreative Metaller sind nach Berlin abgewandert. „Geh mal nachts um zwei durch die Stadt, da kannst du ein Picknick auf der Straße machen“, sagt Dirk Baar von Sunna Sepdoom. Er ist davon überzeugt, dass die Spekulations- und Verdrängungsblase irgendwann platzen muss. Er weiß, wovon er redet: Sunna Sepdoom bleiben noch drei Wochen, bevor sie als letzte Band aus dem Gebäude neben dem gigantischen Schornstein auf dem Gelände der Alten Brauerei ausziehen müssen, weil es abgerissen wird. Einen neuen Proberaum hat die Band zwar gefunden. Aber der ist in Werder.

Oliver Dietrich

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