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Hans Otto Theater: Erdbeeren im Winter

Der Klimawandel war in diesem heißen und trockenen Frühjahr für jeden zu spüren. Doch taugt er auch als Thema für eine Kindertanzaufführung?

Potsdam - „Als Juli in den Winter fiel“ unter der Regie von Marita Erxleben hat es ausprobiert. Mit über 100 kleinen und großen Beteiligten auf der großen Bühne des Hans Otto Theaters.

Basierend auf Motiven des sowjetischen Märchens „Die zwölf Monate“ von 1956 wird erzählt, wie sich die vorwitzige Juli nach der Silvesternacht, in der die zwölf Monate alljährlich aufeinandertreffen, heimlich in den Januar schleicht. Der ist nämlich der einzige Mann im Bunde der Jahreszeiten und die junge Frau hat Gefallen an ihm gefunden. Oder will sie sich einfach nur den Jux machen, herauszufinden, wie dieser coole Typ tickt?

Der Januar seinerseits findet sie, als er auf sie trifft, sofort viel zu „heiß“ und versetzt das Land in klirrende Kälte. Doch Juli hat ihm jede Menge Power entgegenzusetzen, und so erscheinen nach den niedlichen Schneekristallen schließlich unerwartet und viel zu früh im Jahr die zartlila Veilchenfeen, die drolligen Siebenschläfer und jede Menge roter Erdbeeren, die Juli mit ihrer Sommerenergie im eisigkalten Januar zum Leben erweckt.

Begegnung auf dem Markt

Dieses Geschehen ist eingebettet in eine Rahmenhandlung, die in einer mittelalterlichen Stadt spielt. Auch dort wird Silvester gefeiert, mit fröhlichem Markttreiben und amüsanten Schaustellern. Unter ihnen sind der Waisenjunge Finn und sein Freund Jari. Und Finn, der im Festgedränge auf Juli stößt, ist – im Gegensatz zum Januar – sofort fasziniert von ihr.

Dass die Menschen zwar die Zauberkunststücke von Finn genießen, ihn aber, als er um ein Obdach bittet, einfach stehenlassen – auch das zeigt die überaus ambitionierte Inszenierung. Soziale Kälte trifft auf klimatische und der schmale Junge muss draußen allein um sein Leben bangen. Schließlich ist es Juli, die ihm, als er ein Brot stibitzt hat, und dafür verurteilt werden soll, aus der Bredouille hilft – und zwar mit frischen Erdbeeren, die sie an die wütenden Stadtbewohner verteilt.

Diese Erdbeeren im Winter sind es auch, die meine fünfjährige Sitznachbarin am meisten faszinieren. Denn sie mag Erdbeeren. Die Kleine hat stellenweise jedoch Mühe, die anspielungsreiche Rahmenhandlung zu verstehen, und fragt immer wieder, ob jetzt Winter oder Sommer sei. Für Größere sind die Zusammenhänge und ironischen Anspielungen – Erdbeeren im Winter als „Supergeschäftsidee“ – sicher besser nachzuvollziehen.

Jeder ist eingebunden

Dass Kleine und Große gemeinsam Ballett, Hip-Hop oder Breakdance machen, findet auch die kleine Zuschauerin toll. Und wunderbar auch im Sinne von Diversity ist, dass hier auch Beteiligte Spaß am Tanzen finden, deren Körper auf den ersten Blick für eine Ballettkarriere überhaupt nicht geeignet erscheinen. Jeder und jede wird eingebunden, erhält eine kleine oder große Rolle, ein wunderbares Kostüm und den Raum, sich auf einer großen Bühne zu entfalten. Sechs verschiedene Besetzungen gibt es in diesem Jahr und über 800 Kinder und Jugendliche tanzen mit. 

Weitere Vorstellungen heute sowie am 22., 23. und 25. Juni jeweils um 10 bzw. 17 Uhr

Astrid Priebs-Tröger

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