zum Hauptinhalt

Kultur: „Habe-nichts“

Theaterworkshop zu einem brisanten Thema

Patrick, Theresa, Olga und die anderen haben es zum Glück selbst noch nicht erlebt. Sie wissen nicht, was es heißt, nicht genug Geld für gesundes Essen, angesagte Klamotten oder ein Straßenbahnticket zu haben. Das gute Dutzend Schüler zwischen 12 und 17 Jahren, das im T-Werk an der Winterferienwerkstatt „Habe-Nichts!“ teilnimmt, gehört nicht zu den ca. 20 Prozent Brandenburger Kinder und Jugendlichen, die laut Armutsbericht der Bundesregierung unter Armutsbedingungen leben. Trotzdem ist es ein Thema, das auch sie berührt. So erzählen sie, dass Mitschüler wegen ihrer Bekleidung gehänselt werden, dass beispielsweise die Banknachbarin beinahe panisch reagiert, wenn ihre Stifte zerbrechen oder dass auch in der eigenen Verwandtschaft manchmal das Geld knapp ist, weil die Stelle des Onkels an der Universität nur 20 Stunden umfasst. Und natürlich kennen sie diverse Berichte aus dem Fernsehen oder aus Zeitungen, die zum Teil sehr reißerisch das Leben mit Hartz IV „bebildern“.

Was aber veranlasst die Jugendlichen, sich ausgerechnet in ihren Ferien mit dem Thema „Armut“ zu befassen? Zwei Jungs sind eher zufällig „und weil mein Vater es wollte“ in der Theaterwerkstatt gelandet, ein Mädchen will hingegen erfahren, „wie viel Einfluss das hat, ob jemand arm oder reich ist“. Aber es ist auch deutlich zu merken, dass das Thema mit ziemlich viel Halbwissen und einigen Klischees beladen ist. Spielleiterin Yasmina Ouakidi versucht, sich über verschiedene Schritte gemeinsam den wichtigen Fragen zu nähern. Sie hat den Teilnehmern vom Berliner „Arche-Projekt“ berichtet, lässt eine kurze Episode aus dem Buch „Deutschlands vergessene Kinder“ von dessen Gründer Bernd Siggelkow vorlesen und lässt alle zu der Frage „Wie wichtig ist Geld in meinem Leben?“ in einem Satz auf der Bühne Stellung nehmen.

Und dann geht es ans Improvisieren. In Zweier- und Dreiergruppen sollen kurze prägnante Szenen erfunden werden, die sich um Markenklamotten, Statussymbole oder Geldprobleme drehen. Die Teilnehmer stecken kurz darauf eifrig die Köpfe zusammen und die Spielleiterin gibt hier und da einen technischen Hinweis. Es ist erstaunlich, mit wie viel analytischem Geschick und welchem Einfühlungsvermögen plötzlich wohlbekannte Alltagsszenen auf der Bühne lebendig werden. Larissa und Carlotta lästern über die zerfetzte Hose und das „eklige“ T-Shirt ihrer Mitschülerin, Eric und Robert geben einem gedemütigten Jungen, dessen Eltern kein Geld für seine Zahn-OP haben, die Chance, sich nicht mehr alles von seinem Widersacher gefallen zu lassen. Und Olga und Lea zeigen die emotionale Armut einer Verkäuferin in einer teuren Boutique.

Denn gerade die ist es, die auch das Alltagsleben nicht nur in Schulklassen zur Hölle werden lassen kann. Das Thema Armut ist ein gesellschaftliches Tabuthema. Niemand wird sich freiwillig outen, wenn zu Hause das Geld vorn und hinten nicht reicht. „Es ist nicht cool, aus einer armen Familie zu kommen“, ist nicht nur im Buch des Arche-Gründers zu lesen, sondern das weiß auch Yasmina Ouakidi aus ihren verschiedenen kreativen Projekten mit Jugendlichen. Zum Themenabend des Theaters Havarie am 24. Januar wird auch eine Gruppe Jugendlicher mit Behinderungen zeigen, was es bedeutet benachteiligt und ausgegrenzt zu werden. Patrick, Theresa, Olga und die Zuschauer haben dann die Gelegenheit, genau hinzugucken, um sich, wenn es nötig ist, möglicherweise im „wirklichen“ Leben couragiert und sensibel einzumischen. Astrid Priebs-Tröger

Workshoppräsentation heute, 17 Uhr, im T-Werk; Themenabend „Was ist Armut“ am 24. Januar um 18 Uhr, Eintritt frei

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false