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"Lebensspiele" von Gudrun Brüne im "Güldenen Arm".

© Andreas Klaer

Gudrun Brüne zum 80. Geburtstag: Der Mensch ist unfrei, rasselt aber mit den Ketten

Die Malerin Gudrun Brüne gilt als Grande Dame der Leipziger Schule. Zum 80. Geburtstag schenkt ihr Potsdams Museumshaus Im Güldenen Arm eine Ausstellung.

„Lebensspiele“, so heißt das zentrale Bild in der Ausstellung, mit der das Museumshaus „Im Güldenen Arm“ der Malerin Gudrun Brüne zum 80. Geburtstag gratuliert. Auf schwarzem Grund wirbeln Elemente ineinander, die das Werk Brünes seit Jahrzehnten bestimmen: Puppenbeine, Puppenköpfe, Masken, fallende Körper, Engel, eine Weltkugel. Vorn im Mittelpunkt der grüne, grausame Blick aus Puppenaugen. Rechts, kleiner, schaut die Künstlerin selbst auf das Geschehen. An Bernhard Heisig vorbei.

Freiheit und Fremdbestimmung, Offenbarung und Versteckspiel, der Mensch als von Gewalt gebeuteltes Tier: Das sind die großen Themen von Gudrun Brüne. Die Hypothese, die sie in Gestalt der Masken und Puppen verhandelt: Der Mensch ist unfrei, aber er rasselt hörbar mit seinen Ketten. Vor 1989, und noch heute. Was ihn fesselt, so Brüne: das Goldene Kalb. Das Geld.

Drei Werke Gudrun Brünes in der Ausstellung "Memento mori. Das Leben feiern" im "Im Güldenen Arm".
Drei Werke Gudrun Brünes in der Ausstellung "Memento mori. Das Leben feiern" im "Im Güldenen Arm".

© Andreas Klaer

Die Wiederbegegnung mit den Puppen: alptraumhaft

„Memento mori. Das Leben feiern“, heißt die Schau. Galeristin Friederike Sehmsdorf hat sie organisiert und Brünes Beinamen der „Grande Dame der Leipziger Schule“ geprägt. Die Jubilarin lässt ihn gerne gelten. Sie weiß noch genau, wie die Beschäftigung mit den Puppen begann. In Leipzig war das, zu Besuch bei der Mutter. Auch Brünes Nichte war da. Auf der Suche nach Spielzeug für das Mädchen fand sie ihre eigenen Puppen wieder, mit Namen, selbstgenähten Kleidern. Im Güldenen Arm erzählt unter anderem das Bild „Abstellraum“ von der Wiederbegegnung: eine Heimsuchung, alptraumhaft.

Brünes zweites großes Thema kam später dazu: das Masken-Motiv. Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke und Bernhard Heisig: Sie alle, die prägenden Maler der Leipziger Schule, setzten sich verschiedentlich damit auseinander. In Heisigs berühmtem Bild „Selbst als Puppenspieler“ von 1982 zeigt er sich lachend, mit einem Skelett in der Hand. Die Knochenfigur scheint zu applaudieren.

Ein grimmiger Blick, der Pinsel: eine Ansage

Heisigs Bild war 2017 in der Ausstellung „Hinter der Maske“ im Museum Barberini zu sehen. Dort hing auch Brünes „Selbst mit Vorbildern“, ebenfalls von 1982. Hier reiht sie sich ein zwischen Paula Modersohn-Becker und Rosa Luxemburg: in bunter Bluse, aber mit ernstem, fast grimmigem Blick. Der Pinsel, den sie in der Hand hält, ragt senkrecht in die Höhe. Eine Ansage.

Anfang der 1980er Jahre hatte Gudrun Brüne ihre eigene Bildsprache gefunden. Zuvor hatte es oft geheißen: Die malt ja wie ihr Mann! Ihr Mann: Bernhard Heisig. Gudrun Brüne hatte das unerträglich gefunden. „Aber man ändert seinen Stil nicht von heute auf morgen.“ Bis sie die Puppen fand. Später malte sie sich in die Bilder anderer „Meister“ hinein: Picasso, da Vinci. Ermalte sich, wenn man so will, ihren Platz im Kanon.

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Eine Feministin? In gewisser Weise

Eine Feministin? „In gewisser Weise, ja“, sagt Brüne. „Ich habe nie gedacht, dass Frauen besser sind. Aber dass sie gleichberechtigt sein sollten.“ Als Gudrun Brüne Bernhard Heisig 1961 kennenlernt, ist sie zwanzig, eine Anfängerin - die zunächst keinen Platz an der Leipziger Kunsthochschule bekommt. Dafür begegnet sie Heisig, er ist sechsunddreißig und schon ein bekannter Mann. 

Ein ungleiches Paar? „Ich habe ihn immer sehr verehrt“, sagt Gudrun Brüne. „Aber er hat mir als Malerin immer Mut gemacht.“ Anders als Werner Tübke. Der sagte im Grundstudium zu ihr: „Glauben Sie bloß nicht, dass Frauen es in der Bildenden Kunst zu etwas bringen. Das sind die Ausnahmen.“ Brünes Antwort: „Rembrandt und da Vinci waren auch Ausnahmen.“

„Ich habe nie geglaubt, dass ich ein Genie bin“

Mit Heisig war das anders, sagt sie. Man zeigte sich gegenseitig die Arbeiten, half sich, wo es ging. Heisigs monumentalem, für den Palast der Republik entstandenen „Ikarus“ verhalf Brüne zu seinen Füßen. „Ich habe nie geglaubt, dass ich ein Genie bin“, sagt Brüne. „Aber es heißt ja immer: Genie ist zu 90 Prozent harte Arbeit. Und arbeiten, das kann ich.“ Bis heute steht sie jeden Tag im Atelier in Strodehne, wo sie 1992 mit Heisig hinzog, von Leipzig weg.

Heisig starb 2011. Im selben Jahr entstand „Selbst mit Bernhard Heisigs Selbstbildnis“, das auch im Güldenen Arm zu sehen ist. Brüne verbindet hier den eigenen Stil mit dem wilderen, pastosen Pinselstrich Heisigs. Auf dem Bild ist sie diejenige im Vordergrund. Heisig schaut von hinten über die Schulter.

Gudrun Brüne in der Ausstellung im Museumshaus Im Güldenen Arm.
Gudrun Brüne in der Ausstellung im Museumshaus Im Güldenen Arm.

© Andreas Klaer

Eine Diktatur der Vernunft?

„Was ich mir wünsche: die Diktatur der Vernunft“, sagt Gudrun Brüne. Auch wenn ihre Diagnose des Ist-Zustandes anders aussieht. Puppen und Masken bevölkern noch immer die Bilder. Auf einem ist Greta Thunberg zu sehen. Mit Puppengesicht, in weißem Kleid und starrer Haltung schwebt sie vor düsterem Himmel. Sie hat Flügel in Gold: aber nur einen.

Das jüngste Bild, „Turmbau zu Babel“, stammt von 2021. Vor arkadisch weiter Landschaft steht die Bauruine des berühmten Turmes, zu seinen Füßen stapeln sich Masken. Im Vordergrund schweben zwei goldene Trompeten. Künden von Melancholie und Abgesang - und doch auch von Verheißung und von Aufbruch.

„memento mori. Das Leben feiern“, im Museumshaus Im Güldenen Arm, Hermann-Elflein-Str. 3. Voranmeldungen sind nicht nötig, vor Ort wird auf Abstände und das Tragen von FFP2-Masken geachtet. Geöffnet Mittwoch bis Sonntag 12 bis 18 Uhr. Geplant bis 25. April.

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