zum Hauptinhalt
Peter Keglevic ist in Salzburg geboren und lebt inzwischen in Potsdam. 

© Katharina Behling/promo

Grausames aus den Alpen: Peter Keglevic' Roman "Wolfsegg"

Der in Potsdam lebende Autor Peter Keglevic hat mit „Wolfsegg“ einen düsteren Roman über menschliche Abgründe geschaffen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Aussichtslos ist das Leben von Agnes. Von Anfang an macht Peter Keglevic das in seinem Roman „Wolfsegg“ klar. Eingeengt in einer ländlichen Gesellschaft wächst sie auf, in der Frauen eben nicht Kfz-Mechanikerin werden dürfen, so sehr sie sich es auch wünschen. In der sie sich sexistische Sprüche, ja gar körperliche Übergriffe gefallen lassen müssen. Weil das normal ist und weil sowieso jeder den Männern glaubt. Das Mädchen habe das doch gewollt, sie sei die Schuldige, so heißt es oft. Eine Gesellschaft, in der jeder jeden kennt, in der Gerüchte mehr Macht als Fakten haben – und in der Agnes Familie keine Chance hat.

Als asozial gilt sie, die Kinder als auffällig. Dabei ist die Mutter schwer an Krebs erkrankt, der Vater oft unterwegs. Um einen Job zu finden oder um auf der Jagd etwas zu schießen. Die Verantwortung trägt Agnes. Gerade mal 15 Jahre alt ist sie und fängt eine Lehre im Gartencenter an, die sie so gar nicht interessiert. Der Chef schikaniert sie, versucht sogar sie zu vergewaltigen und dreht es so, dass Agnes wegen angeblichen Diebstahls rausgeschmissen wird. Als ihr Vater davon erfährt, reagiert er mit Gewalt und muss dafür mit dem Leben bezahlen. Die Mutter stirbt bald darauf. Am Krebs, aber auch an gebrochenem Herzen. Um ihren beiden Geschwistern das Heim zu ersparen, in dem Agnes selbst einst sehr gelitten hat, flieht sie mit ihnen in eine einsame Alpenhütte im Wald. Frieden findet sie dort jedoch nur kurz.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Keglevic ist im Krimi-Sujet verankert

Peter Keglevic, 1950 in Salzburg geboren und heute in Potsdam lebend, ist vornehmlich Regisseur und Drehbuchautor. Für seine Filme, die sich oft mit Kriminalfällen und dem ländlichen Leben beschäftigen, wurde er unter anderem mit dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. „Wolfsegg“ ist sein zweiter Roman, der Filmhintergrund des Autors auf jeder Seite zu spüren.

Der Plot ist dicht erzählt, in einer bedrückenden Spannung, die oft kaum auszuhalten ist. Für Zartbesaitete ist dieses Buch nichts. Zu sehr fürchtet man den nächsten Schicksalsschlag für Agnes auf der nächsten Seite, eine neue Grausamkeit im nächsten Satz. Denn grausam ist dieses Buch. Um sexuellen Missbrauch geht es hier – in seiner widerwärtigsten Form. Ein großer Skandal, den Agnes seit ihrer Kindheit verdrängt hat und der nach und nach in ihren Erinnerungen hochsteigt. Mit verschwommenen Rückblenden und Träumen inszeniert Keglevic diese rückkehrenden Bilder, der Leser weiß sehr schnell, wohin die Geschichte führt.

Eine vielschichtige Heldin

Überhaupt ist der Roman – so schrecklich das Erzählte ist – nicht sehr überraschend. Gut und Böse sind hier von Anfang an klar gezeichnet, die Schuldigen bleiben in ihrer Widerwärtigkeit relativ eindimensional. Sei es die ehemalige Kinderheimleiterin, die „ihren“ Mädchen ohne Skrupel Schreckliches antut, ohne das erklärt wird, woher ihre Grausamkeit, ja fast schon Gleichgültigkeit herrührt. Auch Agnes Chef Scholtysek ist das typische Ekel aus einem Fernsehthriller: affektgetrieben, machthungrig, ohne tiefgehende Charakterzüge.

Allein Agnes ist eine vielschichtige Heldin. Eine starke Frauenfigur, die sich zu wehren weiß, die anpacken kann, innerlich aber hoch zerbrechlich ist. Gleichzeitig ein wütender Racheengel, der auch vor drastischen Taten nicht zurückschreckt, um ihre Geschwister und sich selbst zu schützen.

Freilich, ihr Rachefeldzug ist sehr à la Tarantino inszeniert, ihr Schicksal beinahe ein biblisches. Keglevic weiß die richtigen Knöpfe für seine Effekte zu drücken. Dass er dafür manchmal etwas zu tief in die Fernsehkiste greift, sei ihm hinsichtlich Agnes verziehen. Ihr folgt man gerne, bangt mit ihr, spürt ihre Wut, die Verzweiflung, gönnt ihr die, zum Teil sehr blutige, Rache. Bis zum Schluss erhofft man eine Lösung aus ihrer Aussichtslosigkeit und weiß doch, dass Keglevic’ Ende für sie das einzig richtige Ende ist. Ein Schicksal, das noch lange nachhallt. 

— Peter Keglevic: Wolfsegg. Penguin Verlag, 2019, 320 Seiten, 20 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false