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Graffiti- und Comic-Kunst aus Potsdam: Mynoks fantastische Comicwelten: Helden, Götter, Bong-Man

Eine Ausstellung im Café Matschke erinnert an die fantastischen Bilderwelten des viel zu früh verstorbenen Potsdamer Comic- und Graffiti-Künstlers Mynok.

Potsdam - „Mynocks“, so heißen die geflügelten Weltraum-Monster aus „Star Wars“, die sich auf Raumschiffen niederlassen, um deren Außenhülle und Kabel anzuknabbern. Ein Getier irgendwo zwischen Fantasy und Science-Fiction, das sich der Potsdamer Graffiti- und Comic-Künstler Felix Chmura als Pate für seinen Künstlernamen „Mynok“ ausgewählt hat, und das perfekt zu den Monstern, Gnomen und Aliens passt, die seine fantastischen Bilderwelten in allen Farben und Formen bevölkern.

Mynoks plastische Figuren und Charaktere, die schier von der Wand auf die Straße zu springen scheinen, waren sein Markenzeichen und hatten ihm einen hervorragenden Ruf in Potsdams Graffiti-Szene verschafft. Diese verlor jedoch im Frühjahr dieses Jahres eines ihrer größten Talente: Am ersten April war Mynok nach langer Krankheit im Alter von nur 36 Jahren verstorben. Befreundete Graffitikünstler der Pie-Crew, der Mynok angehörte, hatten kurz danach auf eines der Häuser des alternativen Kulturzentrums Freiland ein großes Porträt ihres Freundes gesprayt, das ihn umgeben von seinen Figuren zeigt.

Graffiti ist eine öffentliche und flüchtige Kunst

Graffiti ist eine öffentliche und flüchtige Kunst, daher sind heute nur noch wenige Arbeiten Mynoks in der Stadt zu sehen. Ein paar Bilder findet man noch im Archiv in der Leipziger Straße, wo nach Mynoks Tod eine Ausstellung seiner Arbeiten stattfand. Eine weitere Ausstellung, die noch bis zum 17. September läuft, ist derzeit in der Galerie des Café Matschke zu sehen: 33 Originalzeichnungen mit Comics, Graffitis und verschiedenen Figuren von verkifften Superhelden wie „Bong-Man“ bis hin zu „Leon“, einem kriegerischen Löwen, dessen Beine aus zwei großen Schlangen bestehen.

„Das war seine Spezialität, er hat ohne Ende solche Charaktere gezeichnet“, sagt Bernd Chmura. Mynoks Vater ist selbst einer der bekanntesten Cartoonisten Potsdams. Aus dem umfangreichen Nachlass seines Sohnes hat er die Bilder für die Ausstellung ausgewählt, um so einen Querschnitt durch Mynoks Schaffen zu zeigen. Neben den vielen Figuren – zum Beispiel eine Gruppe Faustkämpfer in Tiergestalt – sind auch Mynoks abstrakte Arbeiten überaus beeindruckend: futuristische, organische Gebilde, die sich wie elastische Skelette außerirdischer Lebewesen in alle Richtungen biegen.

Mythologien, Helden- und Göttersagen als kreativer Fundus

Mynoks Elternhaus bot beste Voraussetzungen für dessen künstlerischen Weg: Schon als Kind war er umgeben von Literatur, Kunst und Filmen. Besonders Mythologien, Helden- und Göttersagen, waren für ihn ein großer kreativer Fundus. Chmura brachte seinem Sohn regelmäßig schwer aufzutreibende Comics mit nach Hause – und dass er selbst zeichnete, tat sein Übriges: „Das hatte wohl Vorbild-Wirkung“, sagt Bernd Chmura. Schon in der Kita habe Felix Bildergeschichten gezeichnet, als er Schreiben lernte, kamen die Sprechblasen hinzu. Nach dem Fall der Mauer fuhr Chmura mit seinem Sohn zu dem internationalen Comicladen „Grober Unfug“ in Berlin-Kreuzberg und gab das Begrüßungsgeld für Comics aus.

Das Zeichnen war für Felix Chmura stets eine Konstante und ein Haltepunkt in seinem Leben: „Er hat sich als Jugendlicher oft zurückgezogen, um Probleme durch das Zeichnen zu bewältigen“, sagt Bernd Chmura. Ende der 1990er-Jahre lernte Mynok den Potsdamer Graffiti-Künstler Holm kennen, der damals mit der Crew „Springfield-Mafia“ am Stern und in Drewitz aktiv war. Als dieser sah, welche Qualität Mynoks Arbeiten hatten, war schnell klar, dass er ein Teil der Crew werden sollte. Der erste Ort, an dem Holm und Mynok gemeinsam sprayten, war eine halblegale Wand in der Fultonstraße in Babelsberg. Nach und nach konzentrierte sich die Pie-Crew aber auf legale Flächen, da man professioneller sprayen wollte und Mynoks aufwendige Figuren viel Zeit in Anspruch nahmen – schwierig, wenn man jeden Moment darauf gefasst sein muss, vor der Polizei weglaufen zu müssen.

Ausstellung im Cafe Matschke als kleiner Ersatz

Gleichzeitig stellte Mynok auch in Galerien aus, etwa 2003 in der Galerie M des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler oder 2004 im Waschhaus. Auch Album-Cover gestaltete er, unter anderem „Meine Stadt“ von DJ Knick Neck. Viele seiner Arbeiten sind auf Internet-Galerien wie ToonsUp oder ArtStation zu sehen. Zwischenzeitlich hatte Mynok auch in Greifswald seine Spuren hinterlassen, wo er Kunst und Deutsch auf Lehramt studiert hatte. Hier hatte er unter anderem mit der ONG-CRU zusammen gearbeitet und als Teil der Rap-Crew TVC Hip Hop gemacht. „Viele seiner alten Freunde aus Greifswald waren auch bei der Trauerfeier dabei, sagt Bernd Chmura.

Eigentlich hatte Bernd Chmura geplant, in diesem Jahr zusammen mit seinem Sohn eine Ausstellung zu machen, doch die Krankheit verhinderte dies. Die Ausstellung im Café Matschke ist ein kleiner Ersatz dafür, Chmura zeichnete extra ein großes Schwarz-Weiß-Porträt seines Sohnes, das ebenfalls in der Galerie zu sehen ist.

Friedrich II. als Cyborg

Manches, was Bernd Chmura gerne bewahrt hätte, ist verloren: Besonders verärgert ist er über den Verlust eines Werkes, das 2015 bei einem Straßenfest entstand, das die Aktionsgemeinschaft Holländisches Viertel veranstaltet hatte. Mynok hatte damals ein zwei Quadratmeter großes Bild auf eine Leinwand gemalt, das Friedrich II. als Cyborg zeigt. Als Bernd Chmura vor Kurzem anfragte, was aus der Arbeit geworden sei, wurde ihm mitgeteilt, dass das Bild nicht auffindbar sei und wahrscheinlich weggeworfen wurde. „Die haben das einfach verschludert“, sagt Bernd Chmura.

Doch Mynoks Schaffen soll in naher Zukunft angemessen gewürdigt werden: Chmura plant, 2019 eine größere Ausstellung mit Mynoks Arbeiten zu organisieren und dazu einen umfangreichen Katalog herauszubringen, der per Crowdfunding finanziert werden soll. Keine einfache Aufgabe, denn zunächst muss der große Nachlass gesichtet und bewertet werden: „Das sind viele dicke Ordner voll mit verschiedensten Zeichnungen“, sagt Bernd Chmura. Man darf gespannt sein, welche Kobolde, Roboter, Hexen und Weltraum-Monster dort noch schlummern und darauf warten, wieder Potsdams Wände zu bevölkern.

Die Sonderausstellung „Felix Chmura (Mynok), Drawings, Illustration, Character Design“ ist bis zum 17. September im Café Matschke in der Alleestr. 10 zu sehen

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