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Meistersprecher. Der Schauspieler Bernd Geiling brilliert seit 2009 in Potsdam in unterschiedlichsten Rollen. Mal als Transvestit im Musical „Käfig voller Narren“, mal im ernsten Fach – wie hier als Peer Gynt.

© HL Boehme

Kultur: Glamour und Risse

Der Schauspieler Bernd Geiling erhält heute den Potsdamer Theaterpreis

Der Förderverein des Schauspielhauses Hannover befragt regelmäßig ehemalige Ensemblemitglieder, wohin der Weg sie nach ihrem Abschied aus der niedersächsischen Landeshauptstadt führte. 2015 war Bernd Geiling an der Reihe. Eine der Fragen lautete: „Wir haben Sie als Schauspieler kennengelernt. Was machen Sie heute?“. Die Antwort war eindeutig: „Ich bin immer noch Schauspieler.“

Dabei ist Bernd Geiling nicht irgendein Schauspieler, sondern seit inzwischen acht Jahren einer der wichtigsten und interessantesten Protagonisten innerhalb des starken Ensembles am Hans Otto Theater. Heute Abend wird er im Rahmen einer Festveranstaltung mit dem Potsdamer Theaterpreis 2017 geehrt. Das Stück „Gehen und Bleiben“ von Maxi Obexer (Regie: Clemens Bechtel) erhält außerdem einen Projektpreis.

Geiling kam 2009 mit dem Engagement von Tobias Wellemeyer als Intendant nach Potsdam. Der in Krefeld Geborene ging nach einem Schauspielstudium an der Universität der Künste Berlin an die Theater in Mannheim, Mainz und Hannover. Am Hans Otto Theater konnte Bernd Geiling von Anfang an das Publikum begeistern. Die Feinnervigkeit und Sensibilität, die vibrierende Aufmerksamkeit für Partner und sich selbst, hält er zwischen Leidenschaft und genau gesetzten Vorgängen in Balance. Seine große Lust am Spiel, das zugleich mit harter Arbeit verbunden ist, teilt sich dem Betrachter mit. Intendant Tobias Wellemeyer berichtet über die gemeinsamen Theaterarbeiten mit Bernd Geiling, dass ihn dessen schöpferische Intensität stets begeistert und bereichert hätte, auch seine Art, eigenständig und widerspruchsinteressiert nach den Gedankenkämpfen und Gefühlsbrüchen der Figuren zu suchen. Er sei oft überaus kritisch und anstrengend unduldsam gegenüber sich selbst.

„Dankbar bin ich dafür, dass ich eine große Bandbreite von Rollen erarbeiten konnte. Es ist reizvoll, viele Dinge auszuprobieren“, sagt Bernd Geiling im PNN-Gespräch. Das „Ausprobieren“ lohnt sich. Die oft außergewöhnliche Darstellungsweise des Schauspielers konnte man in vielen Stücken erleben. Mit welch hoher Konzentration und Professionalität er etwa König Philipp II. in Schillers „Don Carlos“ (Regie: Markus Dietz) spielte, war mehr als beachtlich. Zumal er kurzfristig für einen erkrankten Kollegen einsprang. Geiling machte in seiner Lesart des machtbewusst-kalten Herrschers deutlich, dass Menschlichkeit rar ist in der Welt der Mächtigen. Auch die große Textlast Schillers bedeutete für den souverän sprechenden Schauspieler wohl keine Anfechtung.

Überhaupt die Sprache. „Ja, die ist auf der Bühne wichtig. Der Zuschauer will nicht nur sehen, sondern auch hören, vor allem will er das Wort, das gesprochen wird, verstehen. Und womit kann ich das Anliegen des Dichters neben der Körpersprache noch verdeutlichen? Mit der Stimme“, sagt Geiling. Von Kindesbeinen an hat er viel gelesen, sich mit Literatur beschäftigt. „Durch oftmals lautes Lesen bin ich in sie eingedrungen. Da habe ich mir selbst ein Kunsterlebnis geschaffen.“

Ein ganz eigenes Kunsterlebnis schafft sich der blasierte Sammler Serge in der mit Brillanz und Witz geschriebenen Komödie „Kunst“ von Yasmina Reza (Regie: Tobias Wellemeyer). Geiling schickt den Zuschauer nie auf die platten Pfade des Boulevards. Dafür ist sein komödiantisches Können zu groß. Aber was wäre das Spiel auf der Bühne ohne Ensemble? Das hervorragende Schauspieler-Trio in „Kunst“ beweist, dass das Geben und Nehmen sowie gegenseitiges Vertrauen unabdingbar sind für einen Inszenierungserfolg. Auch Geilings Eintauchen in die Transvestitenrolle Albin/Zaza im Musical „La Cages aux folles“ mit der Musik von Jerry Herman lebte von der Präsenz des gesamten Ensembles. Doch vor allem gab er seiner schwierigen Rolle alles, was sie braucht: Glamour und die Risse im Putz der schönen Verpackung, wie es in einer Rezension hieß. Perfekt gesungen und getanzt hat er obendrein.

Eine der packendsten Darstellungen gelang ihm mit dem alten Peer Gynt in Henrik Ibsens gleichnamigem Stück (Regie: Alexander Nerlich). „Die Erarbeitung der Rolle war für mich eine der schwierigsten, mit der ich konfrontiert wurde“, sagt Bernd Geiling. „Dieser Peer Gynt wechselt ständig seine Identitäten. Er ist wie ein Rätsel, ein Mensch, der niemanden lieben kann, vielleicht nur seine Mutter.“

Jüngst begannen für Bernd Geiling die Proben zu Peter Handkes Stück „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“. Danach wird es noch eine Spielzeit unter Intendant Wellemeyer geben. Wie es für den Schauspieler dann weitergeht, ist ungewiss. „Die designierte Intendantin Bettina Jahnke hat aber baldige Gespräche mit dem Ensemblemitgliedern angekündigt“, sagt Bernd Geiling.

Theaterpreisverleihung heute um 19 Uhr im Neuen Theater, Schiffbauergasse

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