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Kultur: Geschmuggelte Poesie aus Südasien

Verschiedensprachige Dichter haben gegenseitig ihre Texte übersetzt. Vier sind heute in der Heinrich-von-Kleist-Schule zu Gast

Von Sarah Kugler

Kaum zählbar sind die Sprachen Südasiens. Allein in Indien werden über hundert Sprachen gesprochen, viele davon sind nicht vollständig alphabetisiert. Das kann durchaus Probleme mit sich bringen, vor allem in Bereich der Literaturübersetzungen und ganz besonders, wenn es dabei um Poesie geht. Hier gilt es, in dem kleinen Raum eines Gedichtes den Rhythmus, die Klanghaftigkeit und vor allem alle kulturellen Kontexte zu erhalten und in die andere Sprache zu übertragen. „Das fängt bei fremden Gerichten an, geht über religiöse Elemente bis hin zu Redewendungen“, sagt Thomas Wohlfahrt, Leiter der Literaturwerkstatt Berlin, die seit vielen Jahren das Projekt „Versschmuggel – Poets translating poets“ durchführt. Ergebnisse des aktuellen Projektes, bei dem Gedichte aus und in südasiatische Sprachen übersetzt wurden, werden heute Abend in der Heinrich-von-Kleist-Schule vorgestellt.

Beim „Versschummugel“ arbeiten fremdsprachige mit deutschen Dichtern gemeinsam an ihren Texten und übersetzen sie gegenseitig. Ziel ist es, so nahe wie möglich an dem Originaltext zu bleiben, aber auch die Poesie in dem jeweils anderen Land bekannt zu machen. Etwa ein Jahr haben nun Lyriker aus Indien, Pakistan, Sri Lanka und Bangladesh mit Dichtern aus Deutschland zusammengearbeitet und ihre Texte in 20 verschiedene Sprachen übertragen. Vier von ihnen stellen ihre Texte heute Abend vor. Wie Thomas Wohlfahrt erklärt, arbeiten beim „Versschmuggel“ immer zwei Dichter zusammen. Die Übersetzungsarbeit erfolgt dabei in zwei Schritten: Zunächst werden die Texte von einem Übersetzer Wort für Wort, also rein inhaltlich übertragen, damit zumindest ein Grundverständnis des Textes vorhanden ist. Erst danach beginnt die eigentliche Arbeit der Dichterpaare. Mit der Hilfe eines professionellen Dolmetschers besprechen sie ihre Texte und übertragen sie somit Element für Element in die jeweils eigene Muttersprache. Im Laufe der letzten 15 Jahre konnte somit Lyrik aus 20 Sprachen – unter anderem Chinesisch, Hebräisch und Koreanisch – relativ originalgetreu übersetzt werden.

Vor zwei Jahren kam dann das Goethe-Institut Mumbai mit dem Anliegen auf die Literaturwerkstatt Berlin zu, auch südasiatische Dichter in das Projekt miteinzubeziehen. „Die südasiatischen Sprachen sind in der Hinsicht sehr besonders, da manche Sprachen hier in Deutschland vollkommen unbekannt sind und ohne unsere Vorgehensweise gar keine gute Übersetzung möglich wäre“, so Wohlfahrt, der auch das Poesiefestival Berlin leitet. So verfasst Mamta Sagar aus der indischen Stadt Bangalore ihre Werke beispielsweise in Kannada, einer Sprache, die vornehmlich in Südindien gesprochen wird. Ihre Texte wurden von der Deutsch-Ungarin Orsolya Kalász in die deutsche Sprache „geschmuggelt“, während Sagar Kalász’ Dichtung in Kannada aufgeschrieben hat. Beide Lyrikerinnen stellen ihre Arbeiten heute vor. Außerdem wird Sajjad Sharif aus Dhaka in Bangladesch gemeinsam mit Dichterpartner Hendrik Jackson bengalische sowie deutsche Werke präsentieren. Weder Sagars noch Sharifs Gedichte wurden vorher in die deutsche Sprache übertragen und sind somit im doppelten Sinne „unerhörte Texte“, wie Wohlfahrt sagt. Heute Abend werden die vier Dichter nicht nur ihre Gedichte vortragen, sondern auch über die Herausforderungen des Übersetzens in die jeweils anderen Sprache sprechen. Die Texte der über 50 südasiatischen „Versschmuggel“-Autoren sind bereits in einem Lyrik-Doppelband im Draupadi-Verlag erscheinen. Darin sind sowohl die deutschen Übersetzungen als auch die jeweiligen südasiatischen Originale abgedruckt. Sarah Kugler

„Versschmuggel – Poets translating poets“ heute um 18 Uhr in der Kleist-Schule, Friedrich-Ebert Straße 17. Der Eintritt kostet 6, ermäßigt 3 Euro.

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