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Kultur: Geschmeidig, hell und klar

„Beethoven Rarities“ perlen jetzt auf CD

Anno 1791 ist im Bonner Theaterkalender folgende deutsch-patriotische Ankündigung zu lesen: „Am Faschingssonntage führte der hiesige Adel auf dem Redoutensaale ein karakteristisches Ballett in altdeutscher Tracht auf. Der Erfinder desselben, dem Komposition des Tanzes und der Musik zu Ehre gereichen, hatte darinn auf die Hauptneigungen unserer Urväter zu Krieg, Jagd, Liebe und Zechen Rücksicht genommen“.

Das suitenartige Stück nennt allerdings nicht den Namen des erst 20-jährigen Komponisten Ludwig van Beethoven, sondern den seines Förderers Ferdinand Graf Waldstein. Erst elf Jahre nach Beethovens Tod wird der Titel „Musik zu einem Ritterballett“ offiziell und Beethoven als Komponist genannt. Eingereiht in die „Werke ohne Opuszahl“ (WoO) erhält es die Nummer 1. Zweifellos eine Rarität im Schaffen des in Bonn geborenen Tonsetzers, der sich das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter Leitung von Howard Griffiths auf seiner jüngsten CD-Produktion „Beethoven Rarities“ liebevoll annimmt. Es besteht aus acht einfachen, kurzweiligen Tanzsätzen. Sie werden mit spielfreudiger Ernsthaftigkeit musiziert. Dem einleitenden „Festlichen Marsch“ folgt ein „Deutscher Gesang“, der refrainartig nach jeder Nummer minniglich bis martialisch im Ausdruck wiederholt wird.

Kaum zu glauben, dass Beethovens Violinkonzert D-Dur op. 61 bei seiner Uraufführung Ende Dezember 1806 im Theater an der Wien nur mit höflichem Beifall aufgenommen wird. Den Pianisten, Komponisten und Klavierfabrikanten Muzio Clementi ficht es nicht an. Er erwirbt die Druckrechte für seinen Londoner Verlag, wittert ein gutes Geschäft und überredet Beethoven zu einer Bearbeitung als Klavierkonzert. Der Meister liefert. Dabei bleibt der Orchesterpart unangetastet. Dagegen wird der Violinpart den erweiterten Möglichkeiten des Klaviers angepasst. Neu komponiert und breit angelegt sind die Kadenzen, in denen der Pianist von seinen virtuosen Fertigkeiten künden kann. So wird die zum ersten Satz – wie originell – von der Pauke begleitet. Die darf wie gehabt mit samtweichen Schlägen das Klavierkonzert eröffnen, ehe sich ihnen seidiger Streicherglanz hinzugesellt.

Geschmeidig, hell und klar, penibel auf Feinheiten bedacht, lässt Howard Griffiths voller klassizistischer Natürlichkeit musizieren. Für die leidenschaftlichen, lyrischen, perlenden und feinsinnigen Wechselgespräche mit dem Orchester hält die Pianistin Claire Huangci sowohl ihr stupendes technisches Können als auch gestalterische Ausdruckstiefe bereit. Begeisternd, wie nuanciert und warm getönt, voller Innigkeit (Larghetto) und trillerreicher Fröhlichkeit (Rondo) sie den faszinierenden Farbenreichtum des Bösendorfer-Flügels zum Klingen bringt.

Abgerundet werden die Raritätenhits durch Beethovens patriotisches Werk „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“, die den militärischen Triumph des Duke of Wellington über Napoleon in der Schlacht nahe der baskischen Stadt Vittoria am 21. Juni 1813 entsprechend klangrealistisch zum Ausdruck bringt. Grelle Trompetensignale, der Aufmarsch der feindlichen Heere nebst ihrem stereoeffektvollen Zusammenprall mit imitierenden Kanonenschlägen und Gewehrsalven: der Musiker Spiel lässt an Drastik und Direktheit nichts zu wünschen übrig. Nicht weniger packend vorgetragen auch die Klage über die Gefallenen und der Siegeshymnus. Die vorzüglich aufgenommene und abgemischte CD erscheint heute im Handel. Zugreifen! Peter Buske

Beethoven Rarities, Rondeau Production 2018, 16,95 Euro

Peter Buske

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