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Kultur: Geschickt komponiert

Die 2. Open-Art-Space bot viel Gesprächsstoff, zog aber weniger Besucher als im Vorjahr an

Der Türspruch „Tritt ein, bring Glück herein!“ klang einladend. Aber das aus wenigen rohen Balken zusammengezimmerte Haus mit dem Dach aus Plastikplanen sah trotz der beiden Blumenkästen in den Fenstern nicht besonders heimelig aus. Und bei genauerem Hinsehen entdeckte der Besucher, das in den ansonsten leeren Wänden scharfe Sägedrähte steckten und die Sitzfläche des Stuhles, der ihm zugedacht sein könnte, nicht aus einem weichen Polster, sondern aus gebogenem Stacheldraht gefertigt war.

„Unser Haus“ hat der Berliner Künstler Steffen Blunk, der zudem Journalist und Philosoph ist, schlicht seine Installation genannt, die von Donnerstag bis Sonntagabend das Entree zur 2. Open-Art-Space auf dem Gelände der Alten Brauerei am Fuße des Potsdamer Brauhausberges bildete. In „unserem Haus“ – gemeint ist das vereinte Europa – erwarteten den Ankömmling zudem auf einem Schreibtisch eine mechanische Uralt-Schreibmaschine und Formulare, die sich sehr detailliert mit seiner Klassifizierung als Europäer 1., 2. oder 3. Klasse beschäftigten beziehungsweise ihm den Stempel „zugelassene Sekundärnorm“ oder „Nichteuropäer“ aufdrückten.

An diesem schwülheißen Sonntagnachmittag blieb, wenn man die Installation Steffen Blunks länger betrachtete und wirken ließ, die Vorfreude auf die kommende Kunstbetrachtung erst einmal auf der Strecke, denn die zwar plakativen, aber starken Raumeindrücke verblassten nicht so schnell und man war gespannt, was die mehr als 20 Künstler und drei Künstlergruppen, die überwiegend aus Berlin und Deutschland stammten, in den zwei Etagen des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Brauerei bieten würden.

Um es vorweg zu nehmen: Nach der Auswertung der mit viel Lob bedachten Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr wurden die Auswahlkriterien härter, eine Jury installiert und Bilder vorwiegend dekorativen Charakters von den Wänden verbannt. Stattdessen gab es neben Blunks aufrüttelnder Installation beispielsweise die Raum-Videoinstallation „Home sweet home“ einer Studentengruppe der Mediadesign Hochschule Berlin, die den Phänomenen der medialen Informationsüberflutung und der Abstumpfung des Einzelnen zwischen rotem Ledersofa und drei Fernsehern nachging.

Oder die düsteren Kohlezeichnungen der Schweizer Künstlerin und Psychoanalytikerin Ursula Antesberger, die Kriegsmotive als Metapher für den Zustand unserer Befindlichkeit – gesellschaftliche Strukturen und Werte scheinen sich immer mehr aufzulösen – ausgewählt hat und beklemmend die destruktive Seite des Menschseins spiegelt. Da war man schon froh, dass in der geschickt komponierten Gesamtschau beispielsweise auch Kleinformatiges von Svenja Wetzstein hing, die auf ihren Ölbildern Erinnerungen konserviert – wie das Interieur von Läden oder Wohnungen aus den 60er oder 70er Jahren oder die blauen Landschaften des Baselitz-Schülers Matthias Reinmuth.

Doch vordergründig Aufmerksamkeit heischend waren andere. In eine Oase aus Poesie und Schönheit gelangte, wer die Installation „ ... vom glühenden Himmel her irrt taumelndes Licht“ (Rilke) der beiden Potsdamer Künstlerinnen Birgit Ginkel und Vera Oxfort betrat. Unter einem blau-lila-rot-weißem Deckengemälde gelangte man in ein kleines schneckenförmig angelegtes Kabinett, an dessen Seitenwänden Edel- und Schmucksteine wie Bergkristall, Rosenquarz oder Calcit, denen heilende Kräfte zugesprochen werden, vielfarbig erstrahlten. Schön. Und als spirituelles Kontrastprogramm fühlte sich das gut an.

Hier, wie in den 23 anderen etwa wohnzimmergroßen Ausstellungsräumen, beantworteten die zumeist anwesenden Künstler die Fragen des Publikums, ja, sie boten sich oft von selbst an, etwas zu ihren Exponaten zu sagen. Wie auch Sabine Burmester, die während der gesamten Ausstellungszeit die Betrachter ihrer Kunstwerke in ihren eigenen künstlerischen Arbeitsprozess integrierte. Aus Draht bog sie die vielfältigen Umrisse derjenigen, die vor ihren Materialbildern standen, sodass man am letzten Ausstellungstag eine ganze Besuchertraube, die an dünnen Fäden von der Decke baumelte und deren einzelne Mitglieder miteinander korrespondierten, in Sabine Burmesters Kabinett vorfand.

Doch trotz Kunstkonsum- und Kommunikationsmöglichkeiten satt – auch Genres wie Fotografie und Plastik, Life-Performance zwischen der „Salzspiegel“-Installation aus Objekten, Video und Klang fehlten nicht – wurden die Besucherzahlen des vergangenen Jahres nicht erreicht. Nur etwas über 300 Besucher kamen an den vier Tagen auf das mit morbidem Charme aufwartende Brauereigelände und die Finissage am Sonntagabend vereinte vor allem die ausstellenden Künstler, die am Ende ein wenig verloren vor „unserem Haus“ standen.

Astrid Priebs-Tröger

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