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HBPG-Chefin Katja Melzer (l.) und Kirsten Foemmel mit Benjamin Grimm (Brandenburgs Digitalbeauftragter).

© Ottmar Winter

Geschichte neu vermittelt: Per VR-Brille durchs Konzentrationslager

Wie das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam auf digitale Vermittlung setzt - und welche Herausforderungen das Museum meistern muss.

Potsdam - Unter den Fotos der begeisterten Menschenmassen in Potsdams Straßen am „Tag von Potsdam“ liegen zwei Bücher: „Oranienburg“ heißt das eine, aus den roten Buchstaben auf dem Titel tropft symbolisch Blut. Als Potsdam am 21. März 1933 Hitler feierte, errichteten die lokale SA-Truppe in Oranienburg auf dem Gelände einer Brauerei Preußens erstes Konzentrationslager. 

Der Sozialdemokrat Gerhart Seger, der im März 1933 in sogenannte „Schutzhaft“ kam und in Oranienburg interniert war, schilderte nach seiner geglückten Flucht 1934 in dem Buch seine Erlebnisse. Lagerkommandant Werner Schäfer sah sich genötigt, noch im selben Jahr ein eigenes Buch zu veröffentlichen, um sich zu erklären: „Konzentrationslager Oranienburg“ liegt in der Vitrine der Dauerausstellung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) im Kutschstall am Neuen Markt neben Segers Bericht.

Wie bringt man den Museumsgästen die Buchinhalte näher? Wie vermittelt man Geschichte zeitgemäß? Wie kann man Themen digital „erzählen“? Wie Ausstellungsobjekte mit digitalen Möglichkeiten in einen Kontext stellen? Dazu hat das HBPG gemeinsam mit den Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen sowie der Filmuniversität Babelsberg 2020 das Projekt Spur.Lab gestartet. 

Am Donnerstag berichteten HPBG-Leiterin Katja Melzer und Kirsten Foemmel, die die digitale Strategie im Haus verantwortet, bei einem Besuch von Brandenburgs Digitalbeauftragten, Staatssekretär Benjamin Grimm, über die Arbeit. Grimm wurde zum Auftakt seiner viertägigen Digital-Sommertour am Donnerstag auch auf dem Betriebshof des Verkehrsbetriebs erwartet, wo es um das automatisierte Tramdepot gehen sollte.

Ende September sollen erste Prototypen vorgestellt werden

Beim Spur.Lab arbeiten Historiker:innen, Künstler:innen, eine Technologin und Entwickler zusammen an Virtual-Reality-Anwendungen (VR), erklärte Katja Melzer. Ende September sollen erste Prototypen vorgestellt werden, auch Testläufe sind geplant, um die Reaktionen der Nutzer:innen zu verstehen. Dabei spielen die Texte aus Segers Erlebnisbericht eine Rolle, erklärte Kirsten Foemmel: Während sich die Museumsgäste per VR-Brille in einem schemenhaften Konzentrationslager rund um einen unzugänglichen Raum bewegen, sind verschiedene Texte zu hören, teils auch zu lesen. Die Anwendung könnte auch vor Ort in Oranienburg angeboten werden – an der Stelle des ersten KZ befinde sich heute nur der Parkplatz eines Discounters.

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Foemmel schildert die Herausforderungen bei der Arbeit: Es gelte in der Vermittlung von Geschichte und politischer Bildung das Überwältigungsverbot – Museumsgästen soll durch eine gewisse Distanz in der Darstellung ein eigenes Urteil ermöglicht werden. Daher soll auch die VR-Anwendung zum KZ Oranienburg nicht zu immersiv werden. Als erfolgversprechend bei einem jüngeren Publikum sieht Foemmel den Ansatz, „mit kurzen schnittigen Infos dazu zu animieren, selbst weiter zu recherchieren“.

Das Haus setzt seit Jahren auf Digitalisierung

Das HBPG setzt seit 2016 verstärkt auf die Digitalisierung, erläuterte Kirsten Foemmel. Ziel sei, unabhängig zu werden und im Haus selbst Inhalte zu produzieren. Auf diesem Weg ist man schon weit gekommen. In den Workshop-Räumen unter dem Dach gibt es unter anderem einen Schnitttisch und einen kleinen Studioraum, in dem Interviews geführt und aufgenommen werden können. Das Museum mit rund 25 Stellen beschäftigt mittlerweile auch Mediengestalter und Medienpädagogen. Dringend nötig sei eine Stelle für die Pflege der Software und der Medienstationen, machte Leiterin Katja Melzer deutlich. Momentan ist eine externe Firma betraut, der Arbeitsaufwand in Stunden habe sich aber verdoppelt.

Die Medienstationen in der neuen Dauerausstellung, die Ende April eröffnet wurde, sind frei bespielbar, können also erweitert oder ganz geändert werden – etwa, wenn ein Objekt die Ausstellung wieder verlässt, aber auch, wenn es um neue Perspektiven auf vermeintlich bekannte Geschichte geht: „Da ist viel in Bewegung, das können wir so abbilden“, sagt Melzer. Momentan arbeite man auch daran, die Dauerausstellung im Internet zu präsentieren. Die Präsenz soll im Frühjahr/Sommer 2023 ans Netz gehen und dann weiter wachsen, sagte Foemmel.

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