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Kultur: Geschichte im Wechselbad der Politik Wie Polens Museen sich aktuell verändern

Die Geschichtspolitik und die Erinnerungskultur in Polen werde neu vermessen und neu ausgerichtet. Das vermutet die Historikerin Hannah Nowak-Radziejowska, ehemalige Leiterin des polnischen Instituts Berlin.

Die Geschichtspolitik und die Erinnerungskultur in Polen werde neu vermessen und neu ausgerichtet. Das vermutet die Historikerin Hannah Nowak-Radziejowska, ehemalige Leiterin des polnischen Instituts Berlin. Die gegenwärtige Regierung verändert die Kommentierung und die Ausstellungen polnischer Museen und damit das Geschichtsbild der Polen, sagte die Geschichtswissenschaftlerin am Donnerstag in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung Potsdam. Es sei eine Ausrichtung auf die konservative Blickrichtung der Regierung. Der Geschichtswissenschaftler Stephan Lehnstaedt, der ebenfalls auf dem Podium saß, pflichtet ihr bei: „Es geht nicht mehr um das Einschreiben in die europäische Geschichte, sondern um die eigene, genuin polnische Geschichte, die für sich selbst steht. Sie hat mit Europa nichts zu tun“, sagte er in einer engagierten Diskussion.

Polnische Museen und Gedenkstätten wären mit Forderungen konfrontiert, die problematischen Aspekte der Geschichte Polens, insbesondere während des zweiten Weltkrieges, auszublenden, so Lehnstaedt. Auch Polen seien Kollaborateure der deutschen Besatzer gewesen und hätten beispielsweise Juden an diese verraten. Dies werde aber in einschlägigen Museen zunehmend ausgespart. Eine schleichende Veränderung sei das. Zwar würden auch in anderen Ländern die Inhalte der Museen durch Stiftungsräte und Geldgeber beeinflusst. „Mit wissenschaftlicher Arbeit hat das, was augenblicklich in einigen Museen in Polen passiert, aber nicht mehr viel zu tun“, so Stephan Lehnstaedt. Dabei sei die Geschichte für Polen enorm wichtig: „Sie dient dem nationalen Zusammenhalt“.

Lange war Polen aufgeteilt zwischen Preußen, Russland und Österreich. Erst nach dem ersten Weltkrieg konnte sich Polen 1918/19 wieder als eigenständiger Staat etablieren. Um dann allerdings im zweiten Weltkrieg von Deutschland und Russland angegriffen zu werden. Die wechselvolle Geschichte des häufig zersplitterten polnischen Staatsgebietes schlage sich im Bewusstsein der Polen nieder, stellt Nowak-Radziejoska fest. Polen, das sei eher eine kulturelle und geschichtliche Einheit, keine geschlossene Ethnie. „Juden, Armenier, Tataren und andere Ethnien: das alles sind Polen. Damit ist Polen eigentlich so multikulturell wie Europa“, sagt Nowak Radziejwska. Die gegenwärtige Veränderung der Museumslandschaft auf nationale Schwerpunkte entspreche der gegenwärtigen politischen Ausrichtung Polens.

Seit dem 11. Dezember 2017 stellt das konservative Bündnis der beiden Parteien Prawo i Sprawiedliwosc, Solidarna Polska und Polska Razem (PIS) die polnische Regierung. Der Wahlerfolg der PIS beruhe darauf, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand noch nicht bei vielen Polen angekommen sei, vermutet Lehnstaedt. Das Versprechen der Europäischen Union auf mehr Wohlstand, das von dem konkurrierenden Parteienbündnis PO propagiert werde, habe sich nicht erfüllt. Daher besinnt sich die PIS und mit ihr die Mehrheit der Wähler auf polnische Nationalwerte.

Dies sei dann beispielsweise auch im Museum des Warschauer Aufstands zu sehen. Dort konzentriert man sich auf das Narrativ des nationalen Heldenmythos der Polen, die sich 1944 gegen die deutschen Besatzer erhoben. 150 000 Tote brachte der nicht erfolgreiche Aufstand. „Die Nation hat sich erhoben und ist in der Niederlage dennoch siegreich, weil sie sich als Nation gezeigt hat“, das werde im Museum gezeigt, konstatiert Lehnstaedt.

Trotz der gegenwärtigen nationalen Ausrichtung könne aber in Polen keinesfalls von einer uniformen oder gleichgeschalteten Gesellschaft gesprochen werden, findet der Historiker. Dies zeigten auch die zahlreichen und sehr vielfältigen Museumsgründungen, die derzeit in Polen stattfinden. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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