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Im Museum Barberini sind noch bis zum 21. Oktober die abstrakten Arbeiten von Gerhard Richter zu sehen.

© Manfred Thomas Tsp

Gerhard-Richter-Schau im Museum Barberini: „Ich bin, der ich bin“

Noch bis zum 21. Oktober sind in Potsdams Museum Barberini die abstrakten Werke Gerhard Richters zu sehen. Haben diese Bilder eine religiöse Dimension? Ein Expertenduo im Museum Barberini suchte Antworten.

Gott manifestiert sich eher selten. Wo sich früher von Zeit zu Zeit der liebe Gott artikulierte, herrscht heute Schweigen. Die gegenwärtigen Skandale um ordinierte Gottesdiener tun ihr übriges, um die sakralen Räume zu leeren. Also sucht sich das Religiöse andere Wege. Nicht zuletzt die Kunst bietet einen Fluchtweg.

Das vermuteten zumindest der Theologe Rainer Kampling und der Kunstwissenschaftler Eberhard König am Mittwochabend beim Gespräch im Museum Barberini. Der Maler Gerhard Richter, noch bis 21. Oktober mit einer Ausstellung im Museum Barberini präsent, stammt zwar aus einem weitgehend säkularen Land, der DDR. In Richters Bildern und Zitaten zeige sich jedoch, dass ihm katholische Glaubens- und Sittenstrenge nicht fremd sei, so König. Im Gespräch mit dem Theologen pirscht sich der Kunstwissenschaftler an die nicht immer offensichtlichen metaphysischen Komponenten in den Bildern Richters heran.

Die Darstellung des Metaphysischen ist ohne Abstraktion nicht zu denken

Das Museum hat sich in seiner derzeitigen Schau klug ganz auf die abstrakten Bilder Richters konzentriert, die auch im Mittelpunkt des Gespräches standen. Nun lässt sich der Natur der Sache entsprechend in abstrakte Bilder immer allerlei hineininterpretieren. Aber bei Richter liegt der Gedanke an das Religiöse tatsächlich nicht fern – gerade wegen der Abstraktion in seinen Bildern. Eingeladen von der katholischen Kirche, gestaltete der Maler ein Kirchenfenster des Kölner Domes. Fertiggestellt im Jahre 2007, fand die 106 Quadratmeter große Fläche des farbenfroh gestalteten Fensters bei der Kirchenleitung zunächst keinen rechten Anklang, begeistert seitdem aber die zahlreichen Besucher des Gotteshauses. 

Mit insgesamt 11 263 Farbquadraten entfernt sich Richter hierin zwar von der traditionellen Darstellung geflügelter oder in den Himmel auffahrender Gestalten, vermittelt allerdings eine nicht minder eindrucksvolle Darstellung des Religiösen. Die entsprach zudem der Ausgangsdiktion der Bibel, wie Kampling feststellt. Denn dort erklang es aus einem entflammten Dornenbusch, der nicht verbrennen wollte, auf Anfrage des Betrachters Moses, wer denn dort spreche: „Ich bin, der ich bin.“ Das schuf zwar auch keine Klarheit über den Namen des Gottes, der sich da äußerte, machte aber deutlich: Die Darstellung des Metaphysischen ist ohne eine abstrakte Dimension nicht zu denken.

„Bilder zeigen, was nicht da ist“

Manchmal verschwindet das Religiöse auch ganz, nämlich hinter einem Vorhang. Das religiös konnotierte Stofftuch, das in Kirchen häufig vor dem Tabernakel hängt und Monstranz und Hostien verbergen soll, habe Richter gemalt, folgern die Diskutanten angesichts eines grau gemalten Vorhanges. Der sich dann auch wieder in die weiteren in Grau gemalten Serien Richters einfügt: die RAF-Bilder, oder Bilder über seine Verwandtschaft. Letztlich gehe es eben doch bei dem Maler und auch beim Religiösen um den Menschen und seine Beziehung zum Weltganzen. „Bilder zeigen, was nicht da ist“, hat Richter verlauten lassen.

Das gelte auch für ein kleinformatiges Bild mit einer blauen oberen Hälfte und abstrakten Strichen im unteren Bildteil. Von Ferne grüßt Caspar David Friedrich. Ebenso wie bei dem Romantiker scheint bei dem zeitgenössischen Maler genau das auf, was in der Ferne des Bildes verborgen, aber nicht zu erkennen ist: das Religiöse. Auch wenn sakrale Inhalte in den Bildern nie ausformuliert sind, bieten sie doch eine einladende Reflexionsfolie.

Richard Rabensaat

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