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Frosch in Grün, Frosch in Rot. Kermit aus der Muppet Show wurde von Brüne-Schüler Andreas Schiller mehrfarbig verewigt.

© Andreas Klaer

Kultur: Gemetzel in feiner Lasurtechnik

Die DDR-Malerin Gudrun Brüne feierte ihren 75. Geburtstag. Die Galerie Kunst-Kontor ehrt sie mit einer Ausstellung

Marie-Luise hat große Augen, ihr geschminkter Mund grenzt sich scharfkantig gegen die Gesichtszüge ab. Der starre Blick richtet sich fixierend in eine unbestimmte Ferne. Gudrun Brüne hat die Puppe im Jahre 2010 gemalt. Die Malerin lebte damals noch mit ihrem Partner Bernhard Heisig zusammen. Gemeinsam arbeiteten sie in ihrem großen Anwesen in dem kleinen Dorf Strohdehne. Ein Jahr später starb Heisig, hochgeachtet, seine Skulpturen und Bilder finden sich in prominenten Sammlungen und Plätzen, unter anderem in Potsdam. „Diese Anerkennung hätte auch Brüne verdient“, sagt die Galeristin Friederike Sehmsdorf. Aber obwohl auch Brüne in wichtigen deutschen Kunstsammlungen und in der Sammlung ostdeutscher Moderne des Potsdamer Mäzens Hasso Plattner vertreten sei, würde sie nicht entsprechend ihrer verdienten künstlerischen Position wahrgenommen, meint Sehmsdorf.

Die Galerie Kunst-Kontor würdigt den 75. Geburtstag der Malerin mit einer Ausstellung, die drei der Schüler Brünes versammelt: Rainer Ehrt, Andreas Schiller und Claudia Hauptmann. Bis 1999 lehrte Brüne an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle an der Saale. Ebenso wie Heisig hat sie das Bild der Kunst der DDR entscheidend mitgeprägt. Brünes Thema war der Mensch und dessen Abbild, aber es finden sich auch zahlreiche Bilder der malerischen Landschaft von Strohdehne in ihrem Werk. Die Ruhe und Weite der Alleen und Felder, der teilweise überschwemmten Landschaften, der Blumen und Bäume im Abendrot überträgt sich unmittelbar auf den Betrachter. Fein lasierend sind die Bilder gemalt. Brüne vermittelte ihr künstlerisches Können im Grundlagenstudium, was nahe lag, denn sie war eine passionierte Zeichnerin. Vor dem Ölbild kommt die Zeichnung. Zahlreiche Porträtstudien, die sie meist mit Bleistift fertigte, zeigen ihre Sensibilität für das jeweilige Gegenüber. Meist mit hoch differenzierter Schraffur erfasst sie schnell und treffend die jeweiligen Charakteristika des Dargestellten. Diese Genauigkeit der Darstellung findet sich auch in Ölbildern der 80er-Jahre, in denen sie häufig Frauen porträtierte, denen sie sich verbunden fühlte: Rosa Luxemburg etwa oder Paula Modersohn-Becker. „Selbst mit Vorbildern“, so der Titel. Die Künstlerin dabei mit Pinsel in der Hand und zerquetschten Ölfarbtuben auf dem Tisch vor sich. Die beiden anderen Porträtierten: Frauen, die sich einem männlich dominierten Kunst- oder Politikbetrieb gegenüber sahen. Brüne wurde stets auch mit Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer, den beiden anderen prägenden Malern der „alten Leipziger Schule“, verglichen. Dennoch fand sie eine eigenständige Position. Während der Duktus von Bildern aus den 70er-Jahren noch an den Partner erinnert, entwickelte sich ihre Formensprache zusehend eigenständiger, schließlich findet sie zu ihrem Thema: der Mensch, die Maske, das Gemetzel. „Und immer wieder Guernica“ nennt sie ein Tableau von drei Metern Länge und achtzig Zentimetern Höhe. Fragmente auseinandergerissener Puppen kombiniert die Künstlerin mit Zitaten aus dem epochalen Bild Picassos von 1937. Die Puppe wird ihr zum Sinnbild des geworfenen und malträtierten Menschen.

Vor deutlichen Metaphern hat die Malerin wenig Scheu. Ihrer „Schmerzensfrau“ stecken zwei Pfeile in den Armen, Puppenteile liegen am Boden, die Madonnenbüste ist umgekippt. Die Marionetten symbolisierten für Brüne „die Angst vor der Entseelung, der Einebnung des Individuellen und vor den dressierten und gelenkten Massen, die Angst auch vor dem gezüchteten Menschen, dem Homunculus“, schrieb der Kunstkritiker Eduard Beaucamp. Die symbolisch aufgeladenen Puppen-Schlachtfelder finden ihre reale Entsprechung heute in den gegenwärtigen Gemetzeln des Nahen Ostens.

Von der ausdrücklich aufs malerische ausgerichteten Position seiner Lehrerin hat sich Rainer Ehrt hin zur Grafik bewegt. Immer wieder verblüfft der Zeichner Ehrt mit der nuancierten Vielschichtigkeit seiner Stillleben und Figurenzeichnungen und dem entsprechend dem jeweiligen Plakat hinzu kombinierten Lettering. Ein wüstes Arrangement aus zähnefletschendem Hund, Sesamstraßenfiguren und prähistorischer Dampflok vereint Andreas Schiller auf seinem Beitrag zur Ausstellung. Auch Schiller ist der Figur treu geblieben, hat sich aber auch mit Stillleben, insbesondere wunderbaren Äpfeln einen Namen gemacht. In feiner Lasurtechnik hat Schiller die pralle Frucht jahrelang in Hunderten von Variationen gemalt. Zum Anbeißen frisch zieren die ungefähr original großen Früchte mittlerweile zahllose Wohnstuben nicht nur Brandenburgs. Claudia Hauptmann hingegen steuert zur Ausstellung unter anderem das Bild eines Berliner Pfannkuchens bei.

Eröffnung der Ausstellung Gudrun Brüne zum 75. Geburtstag in der Galerie Kunst Kontor, Bertiniweg 1 A, am kommenden Sonntag, 20. März, um 16 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 1. Mai 2016 zu sehen.

Richard Rabensaat

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