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Kultur: Geister, die aufeinander platzen

Luther aus entgegengesetzten Blickwinkeln: Drei Kurzfilme der Defa-Filmstudios und ein Buch von Friedrich Schorlemmer

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass der „Rebell“ Martin Luther immer wieder von Obrigkeiten vereinnahmt wurde, die seine Aussagen in einen politischen Zusammenhang stellten. Im Jahre 1517 legte er sich, noch als Augustinermönch, mit seinem Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche mit der päpstlichen Obrigkeit in Rom an und spaltete damit ungewollt die Christenheit. Die Nationalsozialisten waren dankbar dafür, dass sich der Reformator gegenüber den Juden so kritisch äußerte. Zu DDR-Zeiten pflegte das religionsfeindliche Regime einige Jahrzehnte lang seine Ablehnung gegenüber dem Theologen.

Unter Erich Honecker versuchte die SED in den 1980er-Jahren Luther zu für sich zu „gewinnen“ und zum ersten Revolutionär zu stilisieren. Davon konnten sich am Donnerstag dieser Woche gut 25 Besucher ein Bild im Filmmuseum machen. In der Reihe „500 Jahre Reformation“ wurden drei Kurzfilme, die im Babelsberger Defa-Dokumentarfilmstudio beziehungsweise im Trickfilmstudio Dresden entstanden, aus dem Archiv geholt.

Die Filme entstanden anlässlich von Jubiläen: zur 450-Jahr-Feier der Reformation im Jahre 1967 sowie zum 500. Geburtstag des Reformators 1983. Wollte der in der 60er-Jahren gedrehte Streifen „Credo: Martin Luther – Wittenberg 1517“ (Regie: Rudolf Müller) dem Zuschauer einhämmern, dass der Ideengeber der „frühbürgerlichen Revolution“ zum Fürstendiener und Bauernverräter wurde, so beleuchtete der 17-minütige Trickfilm „Copyright by Luther“ in ironisch-unterhaltsamer Weise Luther als Bibelübersetzer und als frühen Medienstar. Das war 1983. In jenem Jahr stieg Luther in der DDR von einer an den Rand gedrängten zu einer zentralen historischen Figur der deutschen Vergangenheit auf.

Der halbstündige agitatorische Film „Martin Luther“ (Regie: Joachim Hadaschik) berichtet minutenlang von der Gründung des Luther-Komitees, dem SED-Chef Erich Honecker vorstand. „Unser Staat der Arbeiter und Bauern“, intonierte Erich Honecker bei der Komiteegründung, „verwirklicht die Ideale der besten Söhne des deutschen Volkes im Sinne seiner Politik zum Wohle des Menschen.“ Über Besichtigungen hochrangiger DDR-Funktionäre in Lutherstätten zum Stand der Restaurierungsarbeiten wird man informiert, auch über zahlreiche Veröffentlichungen von Lutherbibeln und christlicher Literatur sowie über den Besuch von US-amerikanischen Christen in Wittenberg, den man als Wertschätzung des sozialistischen Staates deutete.

Einer, der die diktatorische Obrigkeit der DDR angriff, war der in Lutherstadt Wittenberg lebende Theologe und Publizist Friedrich Schorlemmer. Doch er hielt es dabei mit Luther: „Man lasse die Geister aufeinander platzen und miteinander kämpfen. Aber die Faust haltet still, denn das ist unser (christlicher) Auftrag.“ Die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam lud ebenfalls am Donnerstag ins Bildungsforum zur Buchvorstellung „Luther – Leben und Wirkung“ (Aufbau-Verlag Berlin, 12,99 Euro) ein. Der kritische Geist Schorlemmers zog weit mehr Menschen an als die Filme.

Über 100 Interessierte füllten den Vortragssaal und Schorlemmer erfüllte die Erwartungen seiner Zuhörer. Gemäß dem Motto „Was würde Luther dazu sagen?“ hielt sich der Autor mit Anmerkungen zur aktuellen Politik nicht zurück. Da ist er seinem Luther-Buch sehr nahe. Zwar wärmte er es in Teilen aus einer früheren Veröffentlichung noch einmal auf, doch er führt den Leser in seiner unakademischen Sprache in das bewegte Leben des Mönchs, Predigers, Publizisten, Ehemanns und Vaters eindrucksvoll ein. Schorlemmer wäre nicht Schorlemmer, wenn er sich nicht konkret, auch pointiert, mit den Schriften Luthers und deren Wirkung bis in unsere Tage auseinandergesetzt hätte, sei es bei Fragen um Bildung, Sozialordnung, zwischenmenschliche Kommunikation, um Krieg und Frieden. Doch auch die Musik ist ein Thema, der er ja nach der Theologie den höchsten Rang zukommen lässt. Ein Mut machendes Buch, in dem die Gedankenwelt Luthers plastisch wird. Klaus Büstrin

Friedrich

Schorlemmer:

Luther. Leben

und Wirkung.

Erschienen im Aufbau Verlag 2017, Preis

12,99 Euro.

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