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Kultur: Gegen den Konsens

„Home Street Home“ erobert wieder die Straße

Die Hermann-Elflein-Straße ist nur eine von vielen Straßen in der Potsdamer Innenstadt, die tagsüber herausgeputzt und voller Touristen sind, abends jedoch wie leergefegt. So ist das eigentlich mit der ganzen Potsdamer Innenstadt, könnte man böse sagen – würde sich in jener Hermann-Elflein-Straße nicht das studentische Kulturzentrum Kuze befinden. Das Kuze ist eines der letzten Relikte aus einer Zeit, als die Innenstadt sich noch nicht vornehmlich als reines Wohngebiet verstand. Im Kuze hat sich der Spirit aus den 90er-Jahren erhalten, der Geist einer Zeit also, als das kultivierte Hochklappen der Bordsteine noch nicht allgemeingültiger Konsens war.

Am kommenden Samstag zieht es den sonst so ruhigen Studentenclub auch wieder raus auf die Straße, zum traditionellen Straßenfest „Home Street Home“, das einmal im Jahr stattfindet. Da darf das Kuze dann auch mal wieder so laut sein, wie es auch sonst bestimmt gern wäre – es aber einfach nicht darf. Für Konzerte zur Veranstaltungsreihe „Montagskultur“ gab es Beschwerden wie sonst nur für Heavy-Metal-Open-Air-Konzerte. Es sind allerdings nicht nur die Anwohner, die eine ruhige Innenstadt verlangen, auch intern gab es einige Quälereien, die das Kuze erst noch verdauen muss. Und das lag ausgerechnet an den Gästen: Krach, chauvinistisches Verhalten, irgendwann auch noch eine Hakenkreuz-Schmiererei im Haus – das Maß war voll. Während das Kuze sich im vergangenen November selbst eine Zwangspause zur Neuerfindung verordnete, wurde hinter den Kulissen über die Bedingungen des Fortbestehens diskutiert. Und Schritt für Schritt wird jetzt versucht, wieder zum Alltag zurückzukehren.

Das Straßenfest, das nun zum immerhin bereits elften Mal stattfindet, versteht sich als wesentlicher Teil der Rückeroberung alternativer Stadtkultur – und somit der Rückeroberung der Freiräume dieser Stadt. Es kann damit ganz zu Recht als Instanz bezeichnet werden. Und das Programm lässt sich auch dieses Jahr wieder sehen: Mit Conium etwa, die sich aus dem Kollektiv des Potsdamer „Brausehaus“ zu einer der besten und überzeugendsten Stonerrock-Bands entwickelt haben. Jeder, der die Wucht der Band um den zotteligen Sänger Benito schon bestaunen durfte, kann das bestätigen: ein experimenteller Stil aus apokalyptischem Rock, der perfekt zum Einbruch der Dunkelheit passt.

Aber es muss ja nicht immer rockig sein: Bock & Fuchs nennt sich Jens Wockenfuß, der ehemalige Schlagzeuger einer Metalband, der jetzt auf elektronischen Pfaden wandelt. Die letzte Zeit hat er jedoch ganz mit sich allein im Studio verbracht – und bringt am Samstag sein Soloprojekt auf die Straße. Noch psychedelischer wird es dann mit der Berliner Band Excessive Visage, die mit psychedelischem Jazzrock aufwartet: Avantgarde ist ja immer vielversprechend. Ab 23 Uhr geht es drinnen weiter, bei der Disko mit den Potsdamer Candy Girlz. Die Straße kann ja nach diesem Samstag wieder ruhig werden. Oder besser noch: einen bleibenden Impuls für die Wiederbelebung der Innenstadt hinterlassen. Nötig wäre das schon. Oliver Dietrich

„Home Street Home“, Samstag ab 16 Uhr in der Hermann-Elflein-Straße

Oliver Dietrich

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