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Kultur: Gefangen in der Endlosschleife Menschensein „Divadlo SkRAT“ erschüttert und begeistert

Wie beim Zappen durchs nächtliche Fernsehprogramm konnte man sich fühlen, als das slowakische Theaterensemble „Divadlo SkRAT“ am Samstagabend im T-Werk seine nonverbale Aufführung „Tote Seelen“ zur Aufführung brachte. Doch anstatt in diversen Produktionen des immer schamloseren Medienmarktes zu landen, geriet man für jeweils kurze Momente in die trostlosen Behausungen einer Hochhaussiedlung.

Wie beim Zappen durchs nächtliche Fernsehprogramm konnte man sich fühlen, als das slowakische Theaterensemble „Divadlo SkRAT“ am Samstagabend im T-Werk seine nonverbale Aufführung „Tote Seelen“ zur Aufführung brachte. Doch anstatt in diversen Produktionen des immer schamloseren Medienmarktes zu landen, geriet man für jeweils kurze Momente in die trostlosen Behausungen einer Hochhaussiedlung. In unzählige Wohnungen konnte man mittels einer speziellen Optik, ähnlich wie die Überblendung im Film, in intimste Bereiche hineinblicken. Schlaf- und Badezimmer wurden nicht ausgespart. Einen Blick erhaschen und sich bereits in der nächsten Szenerie wiederfinden. Die vielen Bruchstücke ergaben nicht nur einen modernen Erzählfluss in höchster Konsequenz, sondern auch ein sozialkritisches Puzzle mit schockierenden und bewegenden Bildern.

Schnell erwischte man sich dabei, wie man diese oft naturalistischen Momentaufnahmen mit einiger Gier in sich hineinsog. Bekam man doch zu sehen, was sonst eher im Verborgenen stattfindet: Lust und Leid, Einsamkeit und Verzweiflung, Tod und Zerstörung. Und obwohl es „dank“ medialer Durchdringung und Verbreitung heutzutage fast keine Tabuthemen menschlichen (Zusammen-)Lebens mehr gibt, erschütterte deren unkommentierte und atemlos aneinandergereihte, direkte Präsenz nachhaltig. Einsame Paare, die, wie Rilke es beschrieb, „wenn die Leiber, welche nichts gefunden, enttäuscht und traurig voneinander lassen“ oder verzweifelte Vereinzelte, die keinen Sinn (mehr) finden, und im Schutz der Nacht sich das Leben mittels Drogen aus dem Körper treiben.

Alles gleichzeitig und direkt nebeneinander in diesem Hochhausbienenstock, jede Wabe von anderen verletzten Lebewesen bewohnt. Denn die Balletttänzer, Priester, (Selbst-)Mörder, Huren und Sonderlinge haben Nachbarn, die schlafen wollen und doch einbezogen sind in den Albtraum. Dessen zerstörerische Energie niemanden ungeschoren lässt. Eindringlich, mit welcher Choreografie, Lichtregie und Tonspur (Ladislav Mirvald und imon Pán) dieses siebenköpfige Ensemble aus Bratislava unter der Regie von Duan Vicen diesen schaurig-bizarren, skurril-abstoßenden und zugleich lüstern-anziehenden Reigen in Szene setzt. Auch wenn man sich wünscht, dass (dramaturgisch) wenigstens ein paar „Lichtblicke“ zu sehen sind.

Und nicht nur ab und zu die Beleuchtung des Kühlschrankes. Dieses, wie ein Tabernakel zentral angeordnete Möbel, das immer wieder den nötigen Nachschub an flüssigen Drogen liefert, die die abgetöteten Seelen weiter im Vergessen ertränken. Am Ende, nach verhaltenem, aber ausdauerndem Beifall, blieb fast die Hälfte der sichtlich berührten Zuschauer zum Gespräch mit den Akteuren, die bereitwillig Auskunft über den Entstehungs- und Probenprozess der ungewöhnlichen Inszenierung gaben. „Tote Seelen“ als metaphorischer Titel nimmt dabei nicht vordergründig Bezug auf das berühmte literarische Vorbild von Gogol, ist aber wie dieses durchaus als Sittenbild einer zerfallenden Gesellschaft zu lesen, die sich zumindest im hellen Tageslicht auf ihre traditionellen christlichen Grundwerte beruft. Astrid Priebs-Tröger

Heute findet bei Unidram von 18 bis 23.30 Uhr mit „Bis in die Puppen“ die lange Nacht des Figurentheaters statt

Astrid Priebs-Tröger

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