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Kultur: Gar nicht zufällig

Der Kunstverein Kunsthaus zeigt eine Ausstellung zum Thema „Zufall“

Wie der Zufall spielt, ist nicht vorhersagbar, fügt sich aber doch gelegentlich zu sehr interessanten Konstellationen, besonders in der Kunst. Zwar spielt das Unplanbare und Zufällige meistens bei der Entstehung eines Kunstwerkes mit, aber selten thematisiert dies auch eine Ausstellung, wie jetzt im Kunstverein Kunsthaus. Die gar nicht so zufällig wirkende, sondern sehr gut strukturierte Ausstellung „Zum Zufall“ versammelt Werke von elf Künstlern, die quer durch alle künstlerischen Medien das Thema ausloten.

Sofort ersichtlich ist dies bei der Arbeit von Jenny Brockmann, die ein Multimediaensemble aus Foto, Video und einem Objekt zeigt. In einer durchsichtigen Wasserschale schwimmt ein rosafarbenes Wachsgebilde, das allerlei Assoziationsspielräume eröffnet und seine Form der zufälligen Gestaltung durch die beiden gegensätzlichen Elemente Wasser und Wachs verdankt. „Irreversibler Moment“ ist der Titel der Installation. Das Wachs wird nie wieder in seine alte Form zurückfinden. Das Video daneben zeigt das Prozesshafte der Installation. Die rosa Farbe des im Wasser schwimmenden Wachsklumpens erinnert ebenso wie die faltige Struktur des Gebildes an Körperliches, an Haut, vielleicht an entstehendes Leben. Zu spekulieren, ob dies ein Hinweis darauf ist, dass bei der Entstehung allen Lebens der Zufall immer eine Rolle spielt, überspannt vermutlich den Interpretationsbogen. So fern liegt der Gedanke trotzdem nicht.

Dass Zufall nicht Planlosigkeit bedeutet, sondern Offenheit für mögliche neue Wege und Gedanken zeigt sehr schön Sibylle Jazra, wenn sie fragt: „what if?“ Ihre Installation aus Spiegel, Tasse, Hinweistafel, Pigment und Folie wirkt erst recht rätselhaft, zufällig und eher sinnlos zusammengewürfelt, verblüfft dann aber durch die präzise und bis ins kleinste Detail harmonisch austarierte Struktur des Objektes. Ebenso wie bei dem Objekt „malheur aristocratique“ hat die Künstlerin einen Weg gefunden, aus den belanglosen, kleinteiligen Einzelelementen ein harmonisches Ganzes zu formen. Sibylle Jazra knüpft an die Tradition des „Object trouvé“ an, gibt diesem aber auf charmante Art eine neue Drehung. Der sonst häufig etwas angestrengt wirkende Willensakt der Kunstsetzung von Alltagsgegenständen kondensiert zur leichthändigen Assemblage.

Schwergewichtig platziert dagegen Susanne Specht ihre Installation „Innenklänge“. 35 runde Bohrkerne aus Porphyr hat die Künstlerin zu der Skulptur angeordnet. Bei einem Spaziergang im Fichtelgebirge fand Specht die mit Moos bedeckten Bohrkerne, in die sie verschiedene Spuren und Bearbeitungen eingeschrieben hat. Nun changiert die Form der Steine auf rätselhafte Weise zwischen torpedoförmigem Bombenmaterial und archaischem Kultobjekt. Eher heiter ist dagegen die Skulptur von Rainer Gottemeier, die der Künstler auch gleich „Die Heitere“ genannt hat. Aus einem schwarzen Kasten schlängelt sich eine gelb leuchtende Neonröhre, windet sich etwas krakelig durch den Raum und verschwindet wieder in der Black Box. Die technisch perfekt umgesetzte Arbeit lässt dem Zufall bei der Entstehung keine Chance, findet aber für das Zufällige eine ausgesprochen sinnige Form.

Dass der Zufall auch in der Malerei seinen Platz hat, wird bei der großformatigen Zeichnung von Frank Michael Zeidler offensichtlich. Der nummerische Werktitel „ZG 90/1998“ deutet auf das Entstehungsjahr, gibt aber keinen Hinweis auf den Inhalt der Zeichnung. Dennoch ist offensichtlich, dass dem Künstler die vom Zufall gelenkten Schreib- und Zeichenprozesse der „Ecriture Automatique“ und des Informel vertraut sind. Nicht die Illustration des Gedankens, sondern die Freiheit des Denkens hatten sich die Surrealisten und die Künstler des Informel auf die Fahnen geschrieben. Diese Freiheit intoniert auch Pomona Zipser, wenn sie ihr spitziges Objekt „unter die Decke klemmt“ von dort abprallen und dann in einer vage austarierten Position im Raum verharren lässt. Richard Rabensaat

„Zum Zufall“ ist noch bis zum 6. Dezember im Kunsthaus, Ulanenweg 9, zu sehen.

Richard Rabensaat

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