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Kultur: Gänschen klein und das Fernweh im T-Werk

Was haben das Kinderlied „Hänschen klein“ und die berühmte Malerin Paula Modersohn-Becker miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel.

Was haben das Kinderlied „Hänschen klein“ und die berühmte Malerin Paula Modersohn-Becker miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch wenn man etwas genauer hinschaut eine ganze Menge. Am Dienstagnachmittag gastierte zu den 13. Kinderkulturtagen „Welttraum“ das Figurentheater Kobalt aus Lübeck mit seiner Inszenierung „Gänschen klein ging allein“ im T-Werk.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Die neugierige Gans Adele findet ein offenes Gatter und kann nicht widerstehen. Von der Weide geht sie schnurstracks in die weite Welt hinaus. Voller Neugier begegnet sie anderen Geschöpfen, besteht tapfer ein paar Mutproben und findet rasch neue Freunde. Doch abends, allein im Wald, bricht auch bei ihr ein wenig Heimweh aus. Sehnt sie sich nach der Gemeinschaft ihrer Schwestern und der Fürsorge der fünfjährigen Elsbeth zurück. So etwas passiert millionenfach. Und auch in dem alten Kinderliedchen ist die Rede davon.

Die wunderbaren Landschaftsbilder von Paula Modersohn-Becker vermitteln jedoch noch eine andere Form der Sehnsucht. Immer wieder Fernweh trieb diese Wegbereiterin der Moderne, die von 1876 bis 1907 lebte, aus der beschaulichen Künstlerkolonie Worpswede nördlich von Bremen ins quirlige Paris hinaus. Ihre melancholischen norddeutschen Heide- und Moorlandschaften spiegeln dies deutlich. Ein knappes Jahrhundert später inspirierten sie auch die Lübecker Theatermacher zu dem ungewöhnlichen Bühnenbild, das Doris Gschwandtner und Stefan Lück nach Motiven von Bildern der Malerin schufen. Wie in einer kleinen Kunstausstellung hängen vor der schwarzen Bühne drei Rahmen, die sich im Laufe der Geschichte immer weiter öffnen und überaus lebendig werden.

Die beiden Puppenspieler Silke Technau und Stephan Schlafke führten dabei mit beinahe überschwänglicher kindlicher Spiellust den ganzen Hühnerhof, die Kinder Elsbeth und Jörg, die blinde Frau Jensen sowie einen witzigen Igel und einen gutmütigen Keiler durchs turbulente Geschehen. Die kleinsten Theaterbesucher fanden sich wieder in der vorwitzigen Weltenbummlerin Adele und die Erwachsenen in den wehmütig-schönen Bildern der Malerin. So dass auch für sie die kindliche Geschichte des Aufbruchs und des Wieder-Nachhause-Kommens eine ganz eigene Dimension gewann.

Am Ende herzlicher Beifall für eine überaus gelungene Symbiose aus Darstellender und Bildender Kunst sowie die originelle Art des Geschichtenerzählens unter der Regie von Kristiane Balsevicius, die Lust machte, sich die Bilder von Paula Modersohn-Becker, die vor hundert Jahren im Kindbett starb, von Neuem anzuschauen. Astrid Priebs-Tröger

Nächste Vorstellung am 4. Mai, um 10 Uhr, mit deutsch-ghanaischem Rhythmustheater Grillony mit "Die fliegende Schildkröte" ab 4 Jahren.

Astrid Priebs-Tröger

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