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Kultur: Für 2520 Taler Geschenke

Potsdamer Weihnachtsgeschichte(n) mit dem Regionalforscher Kurt Baller

Heute ist Heiliger Abend. Der Baum ist geschmückt, die Geschenke sind eingepackt, das Weihnachtsessen wird vorbereitet. Die Familie hat sich versammelt und die kommenden Feiertage können ihren Lauf nehmen. Man könnte meinen, dass sich an den Ritualen dieses Festes im Laufe der Zeit nicht viel verändert hat. Doch der pensionierte Geschichtslehrer und Autor Kurt Baller aus Rehbrücke beleuchtete in seinem Vortrag „Potsdam im Spiegel des 24. Dezember“, den er in der Stadt- und Landesbibliothek im Rahmen der Reihe „Streifzüge durch die Brandenburgisch-Preußische Geschichte“ hielt, nicht nur diese, sondern auch noch andere Facetten der Potsdamer Weihnachtszeit von 1663 bis 2006.

Beispielsweise verfügte Friedrich Wilhelm I. in seinem Edikt von 1739, dass „wegen der Christabend-Affanzereien alle Kirchentüren geschlossen und keine Predigten zu halten seien.“ Bereits 1686 hatte der Große Kurfürst „nachdem sich viele Prediger beklaget, dass gegen die Weihnachtsfeste viel ärgerliche Dinge vorkommen, sogar Comödien und Possenspiele dabei gemacht und getrieben werden“, befohlen, „solche Ärgernis gänzlich abzuschaffen“. 150 Jahre später weigerte sich hingegen Pastor Lorenz von der Französischen Gemeinde, ebendiese am Vorabend vor Weihnachten zu öffnen. Als Gründe nennt er das Weihnachtsmarktgetümmel vor der Kirche, die von der Polizei nicht zu kontrollierenden Berauschten und die mangelnde Bereitschaft der Bevölkerung, die Kirche zu besuchen. Da an diesem Tag die Weihnachtsvorbereitungen auf Hochtouren laufen.

Apropos Weihnachtsmärkte: Der erste findet offiziell 1826 statt und genau 25 Jahre später wird am 1. Dezember zum ersten Mal in Potsdam ein Schaufenster weihnachtlich dekoriert. Dass wiederum 150 Jahre später mehr als ein halbes Dutzend Märkte in Potsdam abgehalten und mit den Vorbereitungen des Christfestes schon im September – mit den ersten Lebkuchen im Supermarkt – begonnen wird, gefällt vielen Zeitgenossen zwar nicht, sagt aber einiges über unsere Gegenwart aus. Genauso wie das, was ein Großteil der Potsdamer am Heiligen Abend verspeist. Von 60 befragten Familien gaben 26 an, Kartoffelsalat - mit Beilagen von Bockwurst bis Kasseler - zu verzehren. Dagegen konnte einem förmlich das Wasser im Munde zusammenlaufen, als man hörte, was Feinkostfirmen zur Weihnachtszeit des Jahres 1842 in der damaligen „Potsdamer Wochenzeitung“ ihren gut betuchten Kunden offerierten: „Gänseleberpasteten in vier Größen von 3 bis 5 ½ Taler, Astrachan Kaviar, Holsteiner Austern, Schellfische, Wasserlachs, Rügenwalder Gänsebrüste, Braunschweiger Zervelatwurst, echte italienische Salami, Christiania-Anchovis, Bordeaux-, Katharinen-, Königs- und Kaiserpflaumen“ – und anderes, was selbst heute Feinschmeckerherzen höher schlagen lässt. Zur kulinarischen Ehrenrettung der Landeshauptstädter sei bemerkt, dass viele von ihnen erst während der folgenden Feiertage die richtig „guten“ Sachen auftischen.

1826 erstrahlte der erste Christbaum und zwar in der Wohnung des Schulrates Wilhelm von Türk. Dieser verdienstvolle Mann brachte auf den Tag genau fünf Jahre früher die ersten Zöglinge in das Potsdamer Civil Waisenhaus, verwaiste Kinder eines Lausitzer Ortspredigers. Denn nicht nur die angenehmen Seiten der Weihnachtszeit kamen in dem lehrreichen und dabei sehr unterhaltsamen Vortrag Kurt Ballers zur Sprache. Die „Potsdamer Tageszeitung“ schrieb am Heiligen Abend 1939: „In einer ernsten Zeit, aber zuversichtlich und hoffnungsvoll, feiert das Deutschland Adolf Hitlers in diesem Jahre sein Weihnachtsfest. Vier Monate eines uns aufgezwungenen Krieges liegen nun hinter uns ...“ Kurt Baller belegte nicht nur anhand der in den Zeitungen annoncierten Kriegsopfer, wie viel Elend dieser Krieg und seine Folgen auch über Potsdamer Familien gebracht hat.

Die DDR-„Weihnachtszeit“ streifte man ebenfalls. So erfuhr man aus dem Feuerwehrbericht, dass 1981 in der Bezirksstadt nur ein einziger Adventskranz abbrannte und 1989 an der Glienicker Brücke laut Bericht der Bezirksbehörde der Volkspolizei zur Feier des Tages und wegen Aufhebung der Visapflicht angeblich Bockwurst und Freibier verteilt worden sind. Zeitzeugen konnten das allerdings nicht bestätigen. Das Publikum war auch gefragt, als es darum ging, das bekannte und beliebte Weihnachtslied „Sind die Lichter angezündet“ gemeinsam zur Gitarre zu singen. Dessen berührenden Worte stammen von der Potsdamer Autorin Erika Engel-Wojahn, die die Texte für über 250 Lieder und Kantaten verfasste.

Und wer hat nun 2520 Taler für Geschenke ausgegeben? Das war Friedrich II., der 1753 an Familienmitglieder unter anderem Diamanten, Silberzeug und eine Tabatiere verschenkte, allerdings erst am Neujahrstag. Denn der 24. Dezember war für ihn ein Tag wie jeder andere, was auch ein Befehl zum Lesen- und Schreibenlernen für seine Gefreitenkorporals aus dem Jahre 1751 belegt.

Astrid Priebs-Tröger

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