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Stimmmächtig. Countertenor Jochen Kowalski (vorn) gibt in der Oper „Tucholskys Spiegel“ dem „Alter Ego“ Kurt Tucholskys die Stimme. Die Komposition von James Reynolds kommt heute Abend in musikalischer Begleitung des Kammerorchesters Potsdam in Rheinsberg zur Uraufführung.

© Bernd Settnik/dpa

Kultur: Fünf Persönlichkeiten, eine Person

Die Kammerakademie Potsdam beschließt ihre Saison in Rheinsberg – natürlich mit Tucholsky

Die Musiksaison 2016/17 geht zu Ende und der Besucher von Konzerten der Kammerakademie Potsdam wird unvergessliche musikalische Erinnerungen in die Sommerpause mitnehmen, die von der großen Qualität des Orchesters der Landeshauptstadt künden. Seit seiner Gründung vor 15 Jahren hat es sich zu einem international gefragten Klangkörper entwickelt. „Bei unseren Konzerten im Nikolaisaal und anderen Orten in Potsdam sowie bei Gastspielen wird immer wieder die große Qualität des Orchesters hoch gelobt“, sagt Alexander Hollensteiner, Geschäftsführer der Kammerakademie (KAP), im PNN-Gespräch.

Insgesamt 60 000 Zuhörer konnte die Kammerakademie in der zu Ende gehenden Jubiläumssaison verzeichnen. Vielleicht kann man den Erfolg so auf den Punkt bringen: Es wird plastisch und rein musiziert, transparent und klar, delikat in Phrasierung und Artikulation. Ohne pathetischen Überdruck hört man Details und erlebt die Werke innerhalb eines musikalischen Kosmos von überwältigendem Reichtum. So kann Musik klingen!

In diesen Tagen ist das Potsdamer Orchester bei der Kammeroper Schloss Rheinsberg zu Gast, um ein zeitgenössisches Werk in der kleinen märkischen Stadt am Grienericksee, das in jedem Juli und August Musikbegeisterte aus nah und fern empfängt, auf die Bühne zu bringen. In „Tucholskys Spiegel“ spürt der Librettist Christoph Klimke – es ist seine sechste Oper – fünf Persönlichkeiten in ein und derselben Person nach. Eine Figur ist das Alter Ego Tucholskys. Der Countertenor Jochen Kowalski übernimmt diese Partie, die die vier anderen Charaktere zusammenfasst. Klimkes Libretto will den Menschen Tucholsky in seiner Gesamtheit spiegeln, nicht nur den Künstler, den die politischen Umstände schließlich ins Exil und in den Tod treiben, sondern auch den Lebemann mit seinen Leidenschaften und seinen Exzessen. Christoph Klimke, der neben Libretti auch Lyrik, Theaterstücke und Essays verfasst, widmet sich in seiner Oper auch Tucholskys Frauen, wie etwa Else Weil (die Figur der Claire in „Rheinsberg“) und wichtigen Weggefährten wie Siegfried Jacobsohn, den Verleger der „Weltbühne“.

Für „Tucholskys Spiegel“ hat Klimke Originaltexte des Schriftstellers genommen und mit seinen eigenen verwoben. Der streitbare Herausgeber der Zeitschrift „Die Weltbühne“ Kurt Tucholsky schrieb unter mehreren Pseudonymen wie Theobald Tiger, Peter Panter oder Kaspar Hauser seine gefürchtet kritischen Texte zu gesellschaftlichen und kulturellen Fragen seiner Epoche. Es waren die Jahre der Weimarer Republik sowie die Zeit der Machtübernahme Hitlers.

Vertont hat den Text zu „Tucholskys Spiegel“ der amerikanische Komponist James Reynolds. Er schreibt unter anderen für das Musiktheater, Ballett und für den Film. Reynolds kommt vom Jazz. Für die Oper verbindet er Klassik mit zeitgenössischen Elementen und Jazzpassagen. Herausgekommen ist eine Stilmischung mit vielen Jazzeinflüssen, aber auch melodischen Passagen, Duetten bis hin zu Showeinlagen. Synthetische Klänge stehen neben natürlichen Klängen. Die KAP spielt in einem Kammerensemble mit vielen Schlagzeuginstrumenten.

Opernaufführungen gehören in jeder Saison der Kammerakademie zweifellos zu den Höhepunkten. Dabei steht natürlich die Potsdamer Winteroper, die die Kammerakademie in Kooperation mit dem Hans Otto Theater gegenwärtig in der Friedenskirche Sanssouci veranstaltet, im Fokus. Dabei wird eher das barocke und klassische Repertoire bedient. Es scheint ein Garant für ausverkaufte Vorstellungen und damit gefüllte Kassen zu sein. Gab es im vergangenen November und Dezember sechs Aufführungen mit der szenischen Darstellung von Georg Friedrich Händels Oratorium „Israel in Ägypten“, so wird in diesem Jahr „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy unter der musikalischen Leitung von Titus Engel und in der Regie von Andreas Bode vorbereitet.

Mendelssohn hat auch in der kommenden Saison musikalisch vorrangig das Sagen. Sie wird am 1. September mit der Sinfoniekantate „Lobgesang“ unter dem Dirigat von Antonello Manacorda im Nikolaisaal eröffnet. Bis dahin gehen noch gut sechs Wochen ins Land. Aber Mendelssohn, interpretiert von der Kammerakademie, kann man in der Zwischenzeit auf einer CD-Einspielung hören: die Sinfonie Nr. 3, die Schottische, mit den vielen Farb-Licht-Wechseln und ihren ereignishaften, dramatisch aufgerauten Episoden, die „Reformations“-Sinfonie Nr. 5, die mit einer abwechslungsreichen Dramaturgie so eindrucksvoll überzeugt.

Uraufführung „Tucholskys Spiegel“, heute 20 Uhr Schloss Rheinsberg, weitere Aufführungen 22., 25., 26., 28., 29. Juli, jeweils 20 Uhr

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