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"Das Atelier" von Bernhard Heisig, von 1979, hing 2017 im Museum Barberini.

© Andreas Klaer

Führung im Museum Barberini: "Vieles braucht noch Grundlagenforschung"

Zum Tag der Provenienzforschung führt Kunsthistorikerin Linda Hacka durch das Museum Barberii. Im Interview erklärt sie vorab, warum das Arbeitsfeld so wichtig ist.

Von Helena Davenport

Frau Hacka, dass Provenienzforschung wichtig für die Spurensuche in der NS-Zeit ist, wurde vielfach besprochen. Warum genau ist die Klärung der Provenienzen für die aktuelle Ausstellung von Kunst aus der DDR im Museum Barberini wichtig?

Auch in der DDR wurde schließlich viel enteignet. Sowohl Museen als auch private Eigentümer wurden dazu gezwungen, Kunstwerke an den Staat abzugeben. Um nur zwei Beispiele für Kulturgutentziehungen zu nennen: Fingierte Straftaten, beispielsweise Steuerverfahren, wurden als Druckmittel gegen Private benutzt. Oder aber den Museen wurden die staatlichen Mittel gekürzt und ihnen blieb nichts anderes übrig, als Kunstwerke aus ihrem Depot zu meist viel zu geringen Preisen zu verkaufen. Warum? Damit der Staat die Werke gegen Devisen ins nicht-sozialistische Ausland verkaufen konnte, in der Absicht, finanzielle Lücken zu schließen. Für uns ist es wichtig, die Provenienzen der vor 1989 entstandenen Werke in unserer Sammlung zu klären, um herauszufinden, ob diese davon betroffen waren. Wir zeigen aktuell Kunst, die während der DDR-Zeit entstanden ist und zu dieser Zeit meist noch gar nicht Teil von Sammlungen war – dennoch ist es grundsätzlich wichtig, ihre Herkunft zu prüfen.

Können Sie ein Beispiel für eine Enteignung nennen?

1973 wurden in Sachsen alle Museen aufgerufen, Werke aus ihren Beständen für insgesamt 15 Millionen Mark abzugeben. Dresden war am stärksten betroffen: Hier sollten Werke für 12 Millionen Euro abgegeben werden. Die Presse der BRD bekam davon Wind und veröffentlichte die Geschichte, weswegen die DDR ihr Vorhaben abbrach.

Wie lange gibt es die Provenienzforschung auf diesem Gebiet?

Dieser Bereich ist noch neu. Auch wenn in den neuen Bundesländern bereits seit Anfang der Neunziger zu den Entziehungen während der SBZ und DDR recherchiert wird, braucht Vieles noch Grundlagenforschung. Um die Förderung bemüht sich das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg aktiv seit seiner Gründung 2015.

Wie gehen Sie vor, was sind die wichtigsten Schritte?

Man beginnt am Werk selbst und guckt sich zum Beispiel bei Bildern die Rückseiten an. In vielen Fällen findet man hier einen Aufkleber eines Sammlers oder Händlers, aber auch von Ausstellungen. Auch Markierungen, wie Nummern, geben etwa Auskunft darüber, dass die betroffenen Werke zur NS-Zeit als Entartete Kunst beschlagnahmt wurden. Als zweites sucht man hausinterne Informationen zusammen, und dann gibt es noch die Möglichkeit, in Bibliotheken in historischen Ausstellungs- und Auktionskatalogen zu blättern. Hier gibt es vielleicht Hinweise auf vorige Leihgeber oder Einlieferer. Auch die Recherche in Archiven ist wichtiger Bestandteil der Recherchen sowie die Suche in Datenbanken zu verschollener Kunst.

Was war im Rahmen der Arbeit für die aktuelle Ausstellung besonders interessant?

Ich hatte das Glück, dass ich mit Zeitzeugen sprechen konnte. Dadurch dass die Vorbesitzer bekannt sind, war eine intensive Forschung möglich. Sie konnten mir von ihrer Beziehung zum Künstler erzählen, zu denen sie oft ein freundschaftliches Verhältnis pflegten.

Was haben die Zeitzeugen Ihnen denn zum Beispiel verraten?

Ein ehemaliger Eigentümer von einem Bild von Bernhard Heisig hat mir von ihrem regen Austausch untereinander berichtet und mir erzählt, dass er ihn dazu angeregt hatte, Blumenstilleben zu malen. Nun hängt so ein Stillleben bei uns. Provenienzforschung ist natürlich auch wichtig, um Antworten zum kunsthistorischen Kontext zu sammeln. Und auch für die Klärung der Echtheit des Werks kann sie hilfreich sein. Provenienzforschung gehört wie die Zustandspflege mit zur Museumsarbeit dazu.

Sind Sie bei ihrer Forschung zu „Künstler aus der DDR“ auch schon auf Granit gestoßen?

Grundsätzlich bleiben leider in den häufigsten Fällen Fragen offen – trotz mühsamer Forschung. Aber wir hatten eine sehr gute Ausgangslage, weil die Werke nicht so alt sind und die Provenienzketten dementsprechend kurz. Es konnte glücklicherweise alles geklärt werden. Aber bei jedem neuen Ankauf wird zunächst kurz geschaut, ob etwas auffällig ist, das aufhorchen lässt.

Die Kunsthistorikerin Linda Hacka, 35 Jahre alt, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum Barberini und unter anderem für das Gebiet Provenienzrecherche verantwortlich.

Am Mittwoch, dem 10. April, gibt Linda Hacka um 18 Uhr eine Führung im Museum Barberini: "Wege von Kunstwerken. Einblicke in die Provenienzforschung"

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