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Den despotischen Vater im Nacken und von Langen Kerls flankiert. Den ungestümen, von aufklärerischen Idealen erfüllten Kronprinz Friedrich gab Sänger Tobis Bieri (2.v.l.) mit glänzendem Tenor.

© Manfred Thomas

Friedrich-Musical: Wo sind des Königs Träume hin?

Standing Ovations für das Musical „Friedrich – Mythos und Tragödie“: Im Friedrich-Jahr 2012 erinnert nun auch ein Musical an den Preußenkönig. Einen Monat lang will das Spektakel zeigen, wer der „Alte Fritz“ wirklich war.

Vor dem Eingang stehen drei perfekt ausstaffierte Lange Kerls, imitiertes „Spielzeug“ von „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. Den Premierengästen der Musical-Uraufführung „Friedrich – Mythos und Tragödie“ am vergangenen Freitagabend in der Metropolishalle sind sie begehrtes Fotomotiv. Nachdem sich mit reichlicher Verspätung die wenig einladende Halle gefüllt hat, animiert Produzent Peter Schulz das Publikum zum lautstarken Klatschen und Trampeln. Doch lässt sich Stimmung nicht auch anders erzeugen? Vielleicht durch Qualität des Gebotenen?!

Und da braucht sich der musikalische Bilderbogen von Preußens Großem König nicht hinter vergleichbaren Produktionen zu verstecken. In zwei Akten und zwanzig prägnanten Szenen erzählt er in Rückblenden die Geschichte des Kronprinzen Friedrich und seiner Schwester Wilhelmine, die sich gegen die Erziehung ihres jähzornigen und despotischen Vaters Friedrich Wilhelm I. auflehnen. Keine hinlänglich bekannte Episode wird dabei bühnenwirksam ausgespart: Zucht und Drill in Berlin, der Aufenthalt am vergnügungssüchtigen Dresdner Hof, die Freundschaft zu Leutnant Katte, die Eitelkeit und feldherrliche Ruhmsucht des späteren Königs Als Mitwisser von Friedrichs Fluchtplänen gen England wird Katte in Küstrin hingerichtet. Nun bedrängt er als ständiges Wahnbild den seinem Lebensende entgegensehenden Monarchen. Die einem Biographen diktierten Erinnerungen an ruhmreiche Zeiten werden von Kattes Geist widerhakengleich kommentiert. Allerdings sollte man sie als Basiswissen stets parat haben, um dem episodenhaften Spielgeschehen folgen zu können. Viel Politprosa aus schriftlichen Hinterlassenschaften gibt es dabei zu vernehmen. Die Musik hat es da einfacher. Sie gibt dem Musical, was ihm gebührt: schmissige Melodien, suggestive Leidenschaft und Liebesduette. Die Komponisten Dennis Martin und Marc Schubring haben sie am Klavier erfunden, dann durch den Computer in streichersoundige, orchesterraffinierte Klänge umrechnen lassen. Drei Livemusiker (Gitarre, Bass, Schlagzeug) waren bei der Digitalproduktion dabei, der Rest ist programmgesteuerte Transformation. Dieses orchestrale Ergebnis wird nun bei der Aufführung eingespielt, dazu wird livehaftig gesungen. Den fehlenden Dirigenten ersetzen Tonmischer und Tonmeister. Verblüffend echte Cembaloklänge gibt es zu hören. Auch Friedrichs Flötenmarkenzeichen kehrt gleich einem Leitmotiv immer wieder.

Dass Barockes im modernen Rockarrangement sich organisch dem Ganzen einfügt, schafft dem Musical atmosphärische Dichte. Chansoneskes wechselt mit Marschmartialischem, Sprachmonologe münden in Sprechgesang, Songs gehen in Ensembleszenen auf, wobei letztere über Boxen in die Halle gedröhnt werden. Doch wenn die Musik von Gefühlen und Stimmungen erzählen kann, wird es regelrecht spannend. Sogar Ohrwurmverdächtiges ist dabei entstanden: Friedrichs „Sanssouci ist mein Traum“-Hymnus, Voltaires flippiger Auftritt „Bienvenue in Sanssouci“, ein echter Mitklatscher. Regisseur Holger Hauer hat ihn herrlich schräg inszeniert. Leon van Leeuwenberg kostet ihn genüsslich in Stimme und Agilität aus.

Doch auch die anderen Inszenierungseinfälle sind samt und sonders auf den effektvollsten Friedrich-Punkt gebracht. In der spartanischen, schnell wandelbaren Szenerie von Christoph Weyers mit Freitreppe, verschiebbaren Podesten und Projektionen ist eine exzellente Schar musicalerfahrener Darsteller in Aktion. Prächtig und historisch genau kostümiert (Ute Carow), können sie allesamt glaubhaft spielen, sprechen, singen und tanzen. Ein Hochgenuss für Auge und Ohr!

Den ungestümen, von aufklärerischen Idealen erfüllten Kronprinzen verkörpert Tobis Bieri mit enormer körperlicher und stimmlicher Agilität. Sein Tenor glänzt und strahlt mit dem stimmlichen Sopranliebreiz von Elisabeth Hübert als Friedrichs Lieblingsschwester Wilhelmine um die Wette. Den miesepetrigen Alten Fritz gibt Chris Murray mit hinreißender Ausstrahlung, der mit greisenhafter Stimme darüber räsoniert, dass Ruhmsucht seinen königlichen Weg bestimmt habe, er zum „Ebenbild“ seines Vaters geworden sei. Dessen diktatorisches Gebaren modelliert Heiko Stang mit charakterscharfer stimmlicher Intelligenz.

Nicht weniger stimmpräsent und bühnenbeherrschend zeigt sich Maximilian Mann als doppelgestaltiger Katte, der die Gratwanderung des zwischen die Fronten geratenen Aufpassers und Liebhabers souverän zu bewältigen versteht. Isabel Trinkaus spielt die verführerische Gräfin Orczelska mit Stimmappeal, während Petter Bjällö als sächsischer August kaum überzeugt. Schlachtgesänge, Couplets intriganter Hofschranzen sowie Volkes Notschrei nach dem Siebenjährigen Krieg werden von einem „Ensemble“ chorsängerisch und tänzerisch glaubhaft dargestellt. Stehend dargebrachte Ovationen feiern ein packendes, genussvolles Gesamtkunstwerk über die vielen Facetten Friedrichs.

Bis 30. Juni Metropolishalle Babelsberg, Karten unter www.spotlight-musical.de

Peter Buske

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