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Selbstbestimmt. Die neue Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga, 62.

© AFP

Friedenspreis für Tsitsi Dangarembga: Bedingungen der Freiheit

Die simbabwische Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Ein Porträt.

Es ist bei der diesjährigen Wahl der Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels wie so häufig bei Autoren oder Autorinnen, die aus einem der Länder des afrikanischen Kontinent stammen: Der Bekanntheitsgrad ist nicht der größte.

Doch wird nun nach dieser überraschenden Wahl der Name von Tsitsi Dangarembga bald nicht mehr nur einigen wenigen ein Begriff sein.

Dabei hat die 1959 in Mutoko in der damaligen britischen Kolonie Rhodesien und dem heutigen Simbabwe geborene Filmemacherin und Schriftstellerin eine, wenn man so will, lange, intensive Berliner Vergangenheit.

Sie studierte Ende der achtziger Jahre bis Mitte der neunziger Jahre Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, promovierte an der Humboldt-Universität im Fach Afrika-Wissenschaften und lebte danach noch einige Jahre in Deutschland.

2019 schließlich kuratierte sie das ein Jahr zuvor ins Leben gerufene African Book Festival im Kino Babylon, ein Festival, das seitdem alljährlich bekannte Künstlerinnern und Künstler vom afrikanischen Kontinent und aus der Diaspora versammelt und vorstellt.

1988 erschien ihr Debütroman "Nervous Conditions"

Schon damals ließ sich bei der von Dangarembga vorgenommenen thematischen Auswahl für das African Book Festival verfolgen, was der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels jetzt in seiner Begründung für ihre Wahl nennt: Tsitsi Dangarembgas Bücher und Filme erörterten „soziale und moralische Konflikte, die weit über den regionalen Bezug hinausgehen und Resonanzräume für globale Gerechtigkeitsfragen eröffnen.“

Und, so die Jury weiter: „Begleitet wird ihr künstlerisches Schaffen von dem jahrelangen Engagement, die Kultur in ihrem Land zu fördern – und diese insbesondere für Frauen zu öffnen. Gleichzeitig kämpft sie für Freiheitsrechte und politische Veränderungen in Simbabwe.“

Bevor Dangarembga erste Geschichten schrieb und 1988 ihren Debütroman „Nervous Conditions“ veröffentlichte, hatte sie es nicht ganz leicht, sich beruflich zu orientieren. Nachdem sie als Kind in England aufgewachsen war, 1965 mit ihrer Familie nach Rhodesien zurückkehrte und in Harare ihre Schulausbildung abschloss, begann sie 1977 in Cambridge Medizin zu studieren.

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Das Studium brach sie nach drei Jahren wieder ab, um in ihrem Heimatland in der Folge als Lehrerin, Psychologin, Werbetexterin und schließlich Theaterautorin zu arbeiten. All die Erfahrungen aus diesen Jahren flossen in den Roman „Nervous Conditions“, bis dato das erste Buch einer schwarzen Frau aus Simbabwe, das auf englisch veröffentlicht und 1989 gleich auch mit dem „Commonweahlth Writers Prize“ ausgezeichnet wurde.

Zwei Jahre später erschien es bei Rowohlt im Taschenbuch unter dem Titel „Der Preis der Freiheit“.

Der Roman erzählt nicht nur von einer jüngeren Generation von Frauen, die sich einer patriarchalisch dominierten und kolonial geprägten Gesellschaft widersetzen, sondern auch vom Kampf einer jungen Frau gegen ihre Anorexie.

Trotz des Erfolgs von „Nervous Conditions“ wandte sich Dangarembga schließlich primär dem Film zu und gründete neben ihrem Studium in Berlin in Harare eine Filmproduktionsfirma, bei der auch 1993 ihr Regiedebüt „Neria“ herauskam, einer der meistgesehenen Filme Simbabwes.

1996 folgte „Everyone’s Child“ und 2005 mit „Growing Stronger“ ein Dokumentarfilm über zwei simbabwische Frauen, die mit dem HI-Virus leben.

Im Herbst erscheint von Dangarembga ihr Roman "Überleben"

Dangarembgas Hauptanliegen nicht nur in ihrer künstlerischen Arbeit ist die weibliche Selbstbestimmung, gerade in ihrem Heimatland. Sie hat ein Filmfestival für Frauen gegründet und ist Direktorin des Instituts für „Creative Arts for Progress in Africa“, das sich um die Förderung insbesondere von Künstlerinnen kümmert.

Erst in den mittleren nuller Jahren ließ Dangarembga einen weiteren autobiografisch grundierten Roman folgen, „The Book of Not“, der sich schließlich mit „This Mournable Body“ zu einer Trilogie auswuchs.

Allerdings war es nicht einfach, letzteren Roman veröffentlichen zu können. „Das Manuskript wurde von vielen Verlagen abgelehnt“, erzählte Dangarembga vor zwei Jahren bei der Eröffnung des African Book Festivals. „Irgendwann war ich so verzweifelt, dass ich anfing, Auszüge auf Facebook zu posten.“

Nach Fürsprache der Verlegerin und Literaturkritikerin Ellah Wakatama Allfrey, Editor at Large beim schottischen Verlag Canongate Books, konnte „This Mournable Body“ schließlich erscheinen und landete 2020 prompt auf der Shortlist des Booker Prize.

Im Herbst dieses Jahres folgt eine deutsche Übersetzung unter dem Titel „Überleben“ beim Orlanda Verlag in der Reihe „Afrika bewegt“.

Dass Dangarembga trotz ihrer Erfolge in Simbabwe keinen Heldinnenstatus genießt, bewies ihre Inhaftierung nach einem Aufruf von ihr zu einer Antikorruptions-Demonstration. Nur unter Bewährungsauflagen wurde sie wieder frei gelassen.

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