zum Hauptinhalt

Kultur: Frau und Maschine

Das Potsdam Museum zeigt das Verhältnis der Künstlerinnen der Moderne zu Porträt und Technik

Streng wirkt sie – und gleichzeitig resigniert. Das Licht, das scharf von hinten links auf ihr Gesicht fällt, verschattet ihre Züge mehr als sie zu zeigen. Man muss wenig wissen über dieses Selbstporträt von Magda Langenstraß-Uhlig, um es als Kommentar zu lesen auf die Dinge, die da passierten, als es entstand. Um 1933 herum, ihre Künstlervereinigung „Die Abstrakten“ war von den Nationalsozialisten verboten worden, die Berliner Avantgarde – auch um den Kommunisten und Gründer der Sturm-Galerie Herwarth Walden – zerstreute sich. Magda Langenstraß-Uhlig zog sich in ihr Haus in Potsdam-Rehbrücke zurück. Und begann sich selbst zu malen. Statt in die Welt guckt sie in sich selbst. Das verrät auch ihr Blick auf einem der drei – mehr sind es nie geworden – Selbstporträts aus dieser Zeit. Sie sieht den Betrachter darauf nicht direkt an, blickt eher ins Leere.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Jetzt hängt das Bild – neben einem weiteren Selbstporträt von ihr – in der aktuellen Ausstellung des Potsdam Museums. „Künstlerinnen der Moderne – Magda Langenstraß-Uhlig und ihre Zeit“, heißt sie und stellt der Potsdamer Malerin 17 Zeitgenossinnen gegenüber. Dem Genre Porträt ist darin eine eigene Sektion gewidmet. Denn schon vor 1933 spielte das Porträt eine ganz besondere Rolle. „Das hängt mit dem sich damals wandelnden Menschenbild zusammen, dem ,neuen Menschen’“, sagt Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums. Das Selbstverständnis gerade von Frauen wandelte sich während der Weimarer Republik radikal. Und es waren häufig Frauen, die andere Frauen porträtierten, „Julie Wolfthorn etwa malte oft Zeitgenossinnen als Anerkennung für deren selbstbewussten Lebensweg, starke Frauen, Schauspielerinnen“, sagt Götzmann. Und tatsächlich sind diese Porträts der Weimarer Zeit vielleicht die ersten der Kunstgeschichte, die Frauen nicht schwach oder als Verführerin zeigen. „Die Modelle konnten sich den Künstlerinnen gegenüber auch ganz anders zeigen, öffnen“, so Götzmann. Hier ging es nicht um das Schöne, sondern um die Frau hinter dem Äußeren.

Um den krassen Wandel sichtbar zu machen, hat sie in der Ausstellung etwa ein Porträt von Julie Wolfthorn – noch im Stil der Kaiserzeit, mit großem Hut und voluminösem Kleid – einem späteren Werk der Künstlerin gegenübergestellt. Es zeigt Marlene Dietrich, die Ikone des neuen Frauenbilds, mit kurzen Haaren, Hosenanzug, einem ganz neuen Anspruch an öffentlicher Teilhabe. Diese Teilhabe, die sich die Frauen gesellschaftlich und künstlerisch – eben erst war ihnen der Zugang zu den Akademien gestattet worden – erkämpft hatten, die wollten sie mit dem krassen kulturellen Niedergang wohl nicht so einfach wieder aufgeben: Ein Selbstporträt ist immer auch eine Selbstaussage, „mit dem Blick auf die eigene Identität schaffen es die Künstlerinnen sich selbst zu positionieren“, sagt Jutta Götzmann.

Wie sehr diese Beschäftigung mit sich selbst als politisches Statement verstanden werden kann, darüber kann man streiten. „Ich glaube nicht, dass Magda Langenstraß-Uhlig mit dem Selbstporträt ein geschichtliches Porträt malen wollte, mit dem sie die dunkle Zeit andeutet – sie ist reine Künstlerin. Aber sie zeigt hier schon zwei Dinge: eine starke, gefestigte Haltung – und eine Desillusionierung.“

Aber es gibt noch eine andere Sektion in der Ausstellung, eine, die vielleicht noch deutlichere Kommentierung der Zeit zeigt: „Mensch und Maschine“ heißt der Teil, der erst mal wie ein Gegensatz zu den Porträts wirkt. „Das war sicher eines der Themen, bei denen die Frauen wohl am stärksten experimentiert haben“, sagt Götzmann. Bei Magda Langenstraß-Uhlig sind Mensch und Maschine kein Widerspruch. Sie setzt sie fast gleich, wie ihrem Bild „Zweisam“, auf dem man fast nicht mehr erkennt, wer Mensch, wer Maschine ist. Beide funktionieren miteinander, sind ineinander verstrickt – was heute, gut 80 Jahre später – noch immer aktuell wirkt. Etwa wenn man an Cyborgs, technische Verbesserungen, die mit dem Körper verschmelzen, denkt. „Da erkennt man auch ihre starke Verbindung zum Bauhaus, wo sie ja studiert hat“, sagt Götzmann über Langenstraß-Uhlig. Sella Hasse, deren Arbeiten gleich daneben hängen, hat hingegen einen ganz anderen Blick: aus der Tradition von Käthe Kollwitz kommend, wirken ihre – fast schon wie Musik durchkomponierten – Linolschnitte eher wie soziale Kommentare. Sie zeigen den Rhythmus und die Schwere der Arbeit, die Last der Kabelträger drückt auch auf den Betrachter, er schwitzt mit den gebückten Werftarbeitern, er hört das Klappern der Bretter. „Sella Hasse nutzt hier auch das moderne Prinzip der Reihung, die Wiederholung von Figuren und Bewegungen.“

Weiter gehen noch die Fotogramme von Alice Lex-Nerlinger, die ihre Arbeit so weit reduziert, Schablonen auf lichtempfindliches Papier zu legen und so Motivreihen unendlich wiederholbar macht – lange vor Andy Warhol übrigens, der das Prinzip Reihung so berühmt machte. Wie Sella Hasse ist auch Alice Lex-Nerlinger dabei extrem sozialkritisch: Auf drei Ebenen sind da verschiedene Menschentypen zu sehen: Oben der Dandy, mit Sektglas, darunter Mutter mit Kind – fast schon soziologisch nimmt sie keine Individuen, sondern „das Menschenmaterial“, wie Götzmann sagt, in den Blick.

Magda Langenstraß-Uhlig hat sich auch beim Thema Technik weniger eins- zu-eins positioniert. Bei ihr findet sich die Aussage tiefer verborgen – in ihrem Spiel mit neuen Formen und Techniken. Bei den „Steinernen Eremiten“, einer Collage, hat sie mit – völlig ungewöhnlich für diese Zeit –, knallpinker Glitzerfolie gearbeitet. „Das war schon unglaublich mutig“, sagt Götzmann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false