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Regisseurin Francis Meletzky (l.) und Regiestudentin Sophia Bösch setzen sich energisch für vielschichte Rollenbilder ein und kämpfen für ihre Figuren. 

© Ottmar Winter

Francis Meletzky und Sophia Bösch im Gespräch: „Wir wollen sichtbar sein“

Die Potsdamer Regisseurin Francis Meletzky und Regiestudentin Sophia Bösch sprachen an der Filmuniversität über Frauen im Film.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Sie ist distanziert, diese Dora. Nach dem Verschwinden ihres Ehemannes lässt sie niemanden an sich heran, ist eher kurz angebunden – bis eines Abends ihre völlig aufgelöste Nachbarin Jola vor der Tür steht, für die Dora unfreiwillig Gefühle entwickelt. Was für Gefühle das genau sind, lässt die Regisseurin Francis Meletzky („Vorwärts immer!“) offen und schafft damit eine Filmfigur außerhalb jeglicher Schubladen. Dora, gespielt von Dagmar Manzel, ist die Protagonistin ihres Filmes „Nachbarinnen“, mit dem Meletzky 2004 ihr Regiestudium an der Filmuniversität Potsdam abschloss – und damit für den First Steps Award nominiert war.

Der Filmpreis, der jährlich an deutsche Nachwuchsfilmer vergeben wird, begeht dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen und feiert das mit einer Veranstaltungsreihe in verschiedenen Hochschulen. Am Dienstagabend trafen nun Francis Meletzky und Regiestudentin Sophia Bösch in der Filmuniversität Potsdam bei einer Podiumsdiskussion aufeinander.

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Frauen müssen eine bestimmte Rolle erfüllen

Böschs Bachelor-Abschlussfilm „Rå“ lief auf der Berlinale 2018 und war im gleichen Jahr für den Michael-Ballhaus-Preis für Kameraabsolventen der First Steps nominiert. Auch hier ist die Protagonistin eine komplexe Frauenfigur, die versucht, in der Jagdszene ihres Vaters anerkannt zu werden, und sich dafür in die schwedische Wildnis begibt. Eine solche Figur durchzusetzen, sei ganz und gar nicht einfach gewesen, wie Bösch am Dienstagabend erzählte. Auch deswegen, weil Klischeebilder so fest verhaftet sind. „Bei einem Mädchen, das alleine durch den Wald rennt, wird sofort an einen Horrorfilm gedacht“, sagt die 32-Jährige, die derzeit an ihrem Master-Film arbeitet. „Es ist erschreckend, wie tief das sitzt.“

Besonders beim Fernsehen bestehe das Problem, dass Frauen immer noch in eine bestimmte Rolle passen müssen, wie Meletzky ergänzt. Derzeit seien „starke Frauen“ gewünscht – was auch immer, das genau heißen mag. „Oft wird auch das Wort flippig genannt, ganz furchtbar“, sagt Meletzky, die in Potsdam lebt. Und nicht nur das Fernsehen nimmt diese Kategorisierung vor: Die Streamingplattform Netflix etwa hat einige Filme in die Kategorie „Frauen, die aufs Ganze gehen“ eingeordnet, eine gleichnamiges Genre für Männer existiert nicht. Genau in diesem Punkt wünschen sich beide Regisseurinnen mehr Gleichberechtigung, weniger Schubladendenken. „Stark oder schwach sind einfach total langweilige Kategorien“, sagt Meletzky.

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Fernsehen wird besser bezahlt als Kino

Denn so begrüßenswert es ist, die Frau in Filmen nicht nur als das tradiertes Fräulein in Nöten zu zeigen, so ist sie eben auch nicht immer die mutige Heldin. So wie Männer vielschichtige Rollen verkörpern dürfen, ohne einen Stempel aufgedrückt zu bekommen, wäre es auch bei den Kolleginnen wünschenswert. Figuren, die einfach Menschen sind.

Doch darum müssen Regisseure bei Fernsehproduktionen oft hart mit den zuständigen Redakteuren kämpfen – wer zu rebellisch ist, landet sogar auf schwarzen Listen. Francis Meletzky spricht aus Erfahrung, ihrer Kinder wegen hat sich die heute 46-Jährige nach dem Studium bewusst gegen Kino- und für Fernsehproduktionen entschieden, drehte unter anderem mehrere Tatorte. Zum einen, weil sie tatsächlich viele interessante Angebote bekommen habe, zum anderen, weil so ein regelmäßiges Einkommen gesichert ist. „Beim Kino investierst du Jahre, wartest ewig auf Förderung“, sagt sie. Trotzdem habe sie immer für das Besondere in ihren Filmen gekämpft.

Nur 25 Prozent Frauen in der Filmbranche

Für Filmabsolventen, wie Sophia Bösch es bald sein wird, stellt sich nach dem Studium genau diese Frage nach der Berufslaufbahn. „Viele von uns können sich vorstellen, beim Fernsehen zu arbeiten“, sagt Bösch. Das Problem sei allerdings, dass kaum jemand aus ihrem Umkreis noch Fernsehen schaue – sie selbst inbegriffen. Der Trend gehe zu den Streamingplattformen, die mehr Freiheiten in Bezug auf die Rollenbilder zulassen. In Deutschland seien hier allerdings noch zu wenig weibliche Regisseure und Drehbuchautoren vertreten – ein Problem, das der Filmbranche allgemein zugesprochen wird.

Sophia Bösch hat lange Zeit bei Pro Quote Film, einer Organisation, die sich für die Erhöhung des Frauenanteils in allen Bereichen der Filmproduktion einsetzt, gearbeitet. Sie weiß: beinahe 50 Prozent der Regie- und Drehbuchabsolventen sind weiblich, bei den Montageabsolventen sind es sogar 80 Prozent. In der Praxis arbeiten aber nur 25 Prozent Frauen. Die Entwicklung sei zwar aufsteigend, trotzdem mache das wütend. „Wir wollen sichtbar sein“, sagt Bösch mit Nachdruck. „Aber wie?“ Das sei eine Frage, auf die sie auch noch keine Antwort habe. Sicher sei nur, dass sie den vielschichtigen Frauenfiguren treu bleiben möchte. 

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