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Fotografien von K. T. Blumenberg: Almauftrieb zwischen Schneekanonen

Das Kunsthaus Sans Titre zeigt bittere Bilder aus einem vermeintlichen Paradies von K.T. Blumenberg

Entspannung? Auf der Alm? Niemals! Die Fotografin K.T. Blumberg hat sich umgesehen, in den Alpen, in Ischgl, in Österreich. Schon lange sind die Berge kein Ort luftiger Schönheit und stiller Einkehr mehr für den Großstadtgestressten. Die tiroler Gemeinde Ischgl wirbt mit dem Slogan: „Relax. If you can “ und zeigt auf einem Plakat Bühnen des „Top of the mountain“ Rock- und Popkonzert. Das findet jeweils zu Saisonbeginn- und Ende dort statt. Blumberg kombiniert das Plakatfoto mit einem rasenden Motorroller.

Wenn Großstädter in den Wintersport aufbrechen und an überteuerten Skiliften Schlange stehen, ist das schon seit Jahrzehnten ein Schaulaufen der Eitelkeiten bei gleichzeitigem Selbstbetrug hinsichtlich alpiner Sportqualifikation. Wintersporturlaub, ein Spaßevent mit garantiertem Erschauern vor der Erhabenheit großartiger Bergpanoramen. Aber die alpinen Bergmassive sind untertunnelt und durchlöchert wie ein Harzer Käse. „Man sieht das nicht sofort, schließlich soll ja das schöne Bild erhalten bleiben“, sagt K.T. Blumberg.

Dennoch sei auf der Alm längst nicht mehr alles so wie zu Heidis Zeiten. Schneekanonen stehen auf den Hängen. Achterbahnschlitten rasen auf Schienen an Pappdinosauriern vorbei. Eine Gruppe von Spaziergängern beim Nordic Walk passiert mit den entsprechenden Wanderstöcken einen großen Ventilator, die Schneekanone. Um sich nicht auf die, dank des Klimawandels doch recht launischen, Wettergötter verlassen zu müssen, helfen Wintersportorte nach. Sie versorgen die Urlauber mit Schnee aus dem Ventilator. Das Wasser, mit dem der Allwetterschnee erzeugt wird, lagert in Speichern unter den Pisten, wird aus Bergseen durch entsprechend Kanäle in die Reservoire gepumpt. Die schon durch zahlreiche Auto- und Bahntunnel reichlich malträtierten Berge werden tourismuskonform umgebaut. Der Wintersport ist ein Industriezweig. Dörfer in den Alpen investieren viel Geld in die Ausstattung der Pisten, der Hotels, der Infrastruktur.

Die investierten Mittel müssen sich amortisieren. Und so lassen sich Wintersportorte einiges einfallen, um im Wettbewerb zu bestehen. Rund 550 Millionen Euro investieren österreichische Seilbahnbetriebe jährlich in ihre Sessellifte und Bahnstationen. Zwar ist der Badeurlaub im Sommer immer noch die beliebteste Art sich zu entspannen und wird von rund 30 Prozent der Deutschen bevorzugt. Beliebter ist nur der Urlaub in Balkonien, mit dem sich rund 40 Prozent anfreunden. Immerhin 3,5 Prozent der Urlauber aber fahren in den Wintersport, rund 14 Millionen Bundesbürger interessieren sich dafür.

Auch den Saisonbetrieben in den Bergen ist längst klar, dass aktuelle Freizeittrends hin zum Aktivurlaub gehen. Nur wenige genießen im Liegestuhl die stille Schönheit der Bergwelt. Bergwanderungen sind das mindeste, das sich der körper- und sportbewusste Urlauber verordnet. Ischgl weist die höchste Dichte an Viersternehotels in Österreich auf und preist sich als Nightlife- und Mountainbike Eldorado an.

Blumberg zeigt die Helm- und Handschuh bewehrten Biker bei einem kurzen Stopp. Wie Raumfahrer wirken sie, die Finger zur Macho- Rapperpose aufgerichtet. Durch den geschickt gewählten Moment führt Blumberg das Foto zu reportagehafter Dichte. Durch die Wahl des Bildausschnitts verleiht sie dem Geschehen, eigentlich eine Verschnaufpause der Biker, eine unerwartete Dynamik. Viele der Kompositionen der Fotos erscheinen wie beiläufig, verdichten aber das Geschehen auf dem Bild zu einer ausdrucksstarken Gesamtkomposition. Wenn Blumberg Kühe vor einer Karte der Skilifte Ischgls fotografiert, kontrastiert sie die Rindviecher und die Rechtecke der Karten in einer Weise, die den Betrachter verblüfft schmunzeln lässt. „Humor ist mit wichtig, wenn ich fotografiere“, so Blumberg.

Mit ihren Fotografien zeige sie zwar den Massentourismus. Aber sie wolle keinesfalls moralinsauer den Zeigefinger erheben. So bilden die Fotos zwar aktuelles Geschehen ab, bestechen aber letztlich durch die Gesamtkomposition und das Gefühl der Fotografin für die überraschenden Perspektive und den mit Bedacht gewählten Moment. Der gemalte Bauer auf einer Häuserwand scheint zu dem Paraglider zu schauen, der über den in dunstigem Blau schimmernden Berg schwebt. Eine schwarze Krähe blickt neugierig zu weiß strahlenden Plastikeimern, in denen sie wohl sogleich herumräubern wird. Es sind keine spektakulären Sensationsfotos, sondern Bilder, die das Gefühl und das Interesse der Fotografin an der wohl durchdachten Bildkonstruktion und der intelligenten Verdichtung des Moments zeigen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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