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Peer Oliver Nau die Havelschwäne geformt und ihnen eine freche Hirtin an die Seite gesetzt.

© Andreas Klaer

Fontane-Kunstausstellung im Schloss Sacrow: Vom Paradies in die Unterwelt

Zwölf Künstler haben im Schloss Sacrow für die Ausstellung „Im Ratzenloch. Fontane in Sacrow“ zwölf Räume gestaltet. Jeder ließ sich von einem anderen Text Theodor Fontanes inspirieren. 

Von Sarah Kugler

Potsdam - Theodor Fontane und der Birnbaum. So richtig hören und sehen mag man es eigentlich nicht mehr. Dieses Geflüster von der Beer und dazu die hundertste Abbildung einer Birne. Gähn, ausgelutscht, langweilig. Und dann kommt da dieser Birnbaum von Grita Götze um die Ecke. Aus Keramik ist der, zusammengesetzt aus vielen gezackten Fliesen und in einem warmen saftigen Grün, aus dem überall die Birnen rauslugen. Paradiesisch sieht das aus, nach Dschungel, Abenteuer und exotischer Friedlichkeit. Schon ist sie wieder da, die Lust auf den Fontanschen Birnbaum.

Angefertigt hat ihn die Keramikkünstlerin für die Fontaneausstellung im Sacrower Schloss, die am gestrigen Freitagabend eröffnet wurde und ab heute offiziell zu sehen ist. Unter dem frechen Titel „Im Ratzenloch. Fontane in Sacrow“ sind hier in zwölf Räumen die Arbeiten von zwölf verschiedenen Künstlern zu sehen. Sie alle haben sich mit einem Text Theodor Fontanes auseinandergesetzt und ihre Gedanken dazu künstlerisch umgesetzt. Grita Götze hat sich mit „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ nun eines der bekanntesten Gedichte des Schriftstellers ausgesucht. Aus einem Lautsprecher ist es in „ihrem“ Raum des Sacrower Schlosses auch zu hören – in ständiger Wiederholung, wie ein Mantra.

Der paradiesische Keramikbirnbaum stammt von Keramikkünstlerin Grita Götze.
Der paradiesische Keramikbirnbaum stammt von Keramikkünstlerin Grita Götze.

© Andreas Klaer

Die Keramik weckt Lust auf frische Birnen

Und beim Betrachten der satten Keramikfarben hört man dem Beergeflüster auch wieder gerne zu, möchte sogar selbst die Hand ausstrecken nach einer der gelben Früchte. Engobe heißt die Technik, mit der Götze ihre Werke einfärbt. Einer Tonmischung werden dabei Pigmente zugefügt, das bunte Ergebnis entwickelt sich erst beim Brennen. So entstand nicht nur ihr schlank nach oben wachsender Birnbaum, sondern auch eine Vielzahl an Tellern und Vasen. Mit Blättern sind sie bemalt, mit Eidechsen und Blüten. Auf einer besonders beeindruckenden Vase sind viele glänzende Steine zu sehen, quasi noch feucht vom Wasser.

Vielleicht mitgebracht von der Havel, im Schnabel eines Schwans. Die stehen nämlich gleich nebenan von Grita Götzes grüner Keramikoase zum Abflug bereit. Mit weiten Schwingen und großformatig hat Peer Oliver Nau sie aus Holz gefertigt. Mit einer Kettensäge arbeitet er seine Skulpturen aus Eiche oder Linde heraus und bemalt sie mit Acrylfarben. Seine „Havelschwäne“, die im Schloss und im Schlossgarten zu sehen sind, sind nach dem gleichnamigen Kapitel in Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ benannt. Auch das titelgebende „Ratzenloch“ der Ausstellung stammt übrigens aus den Wanderungen: „Wenn ich Sacrow jetzt mit dem von 1750 vergleiche, so kann ich sagen, Sacrow war damals ein Ratzenloch“, heißt es dort. Potsdam selbst – Sacrow wurde erst 1939 eingemeindet – erwähnt Fontane in seinen Wanderungen nur kurz, von den Havelschwänen hingegen erzählt er ausführlich.

Ein Havelschwan im Schlossgarten.
Ein Havelschwan im Schlossgarten.

© Andreas Klaer

Neckische Schwanenhirtin aus Holz

In Sacrow sind sie nun körperlich greifbar – ohne Angst vor einem fauchenden Schwanenangriff haben zu müssen. Den Kopf richten die hölzernen Vögel zum Sacrower See hin – der eben auch ein Havelsee ist. Robust sind die Holzfiguren und gleichzeitig detailreich gearbeitet: Die Federlagen auf den Flügeln, die Füße, ja selbst an den After hat Peer Oliver Nau gedacht. Bewacht werden sie von einer rothaarigen Schwanenhüterin im gepunkteten Kleid. Ein Fontanebuch lesend, sitzt sie mit überschlagenen Beinen auf dem Kamin – jederzeit bereit, ihre Schwäne zur Ordnung zu rufen. Neckisch sieht das aus.

Ganz und gar nicht neckisch, aber nicht minder beeindruckend, sind die großformatigen Fotos von Tina Winkhaus im Obergeschoss des Schlosses. „Babylon“ heißt ihre Serie, die sie mit dem Gedicht „Die Blumen des Waldes (Nach der Schlacht bei Flodden)“ in Verbindung gebracht hat. Die sogenannte Schlacht von Flodden Field fand am 9. September 1513 unweit der schottischen Grenze statt. Unter König Jakob IV. kämpfte eine schottische Invasionsarmee gegen englische Soldaten und verlor. Der schottische König kam dabei ums Leben. Ein Ereignis, von dem Fontane auch in seinem Schottlandbericht „Jenseit des Tweed“ erzählt. Als „das Sterbelied Schottlands“ bezeichnet er dort den Gedichttext.

Tina Winklers Babylon-Unterwelt.
Tina Winklers Babylon-Unterwelt.

© Andreas Klaer

Tina Winkhaus’ Bilder nehmen diesen Sterbegedanken in Form einer düsteren Unterwelt auf. Alles spielt sich hier unter Tage in Höhlen oder einem Bergwerk ab. In einem der Bilder sitzt eine kräftig gebaute Frau mit blond geflochtenem Haarkranz. Ihre üppigen Brüste sind unter einem weißen Hemd deutlich zu erkennen, ihre Schultern umspielt ein goldglitzernder Paillettenbolero. Über ihr hängt ein Schwein, am Hals aufgeschlitzt, urtümliches Höhlenleben. Martialisch sieht das aus, aber auch faszinierend. Der Blick saugt sich regelrecht fest an all den dunklen Details dieser Fotografien. Tanzende Rituale hier, ein weißer, in die Höhe gehobener Körper dort. Ganz schwindelig wird einem davon – wie überhaupt von der ganzen Ausstellung.

Ein positiver Schwindel ist es allerdings, den dieser von Friederike Sehmsdorf kuratierte wilde Mix aus bildender Kunst, gesprochenem und geschriebenem Text auslöst. Neben den vielen, vollkommen unterschiedlichen Kunstwerken, die von Keramik, über Malerei und Bildhauerei bis hin zu bewegten Installationen reichen, können auch Fontanes Texte neu entdeckt werden. Mal aus Lautsprechern tönend, mal an der Wand nachlesbar sind längst nicht alle so bekannt wie der Ribbeck im Havelland. Und selbst wer Fontane in seinem Jubiläumsjahr schon überdrüssig ist, wird hier etwas kunstvoll Berührendes finden.

>>„Im Ratzenloch. Fontane in Sacrow“, zu sehen bis 22. September im Schloss Sacrow, Krampnitzer Straße 33. Freitag bis Montag, 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 5 Euro.

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