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Isoliert. Die mehrteilige Tonplastik „Jedermann autark“ der Potsdamer Künstlerin Corinna Dahme verleiht dem Verlust an sozialem Miteinander künstlerischen Ausdruck. Christine Hielscher beschäftigt sich in ihren „Kraftfeld-Bildern“ (im Hintergrund) mit der Balance von Harmonie und Liebe.

© Andreas Klaer

Kultur: Flüchtiges Glück

Seele als Kapital: Eine Ausstellung im Landtagsschloss zeigt Werke von 26 Künstlerinnen

Wilde Farbströme ziehen sich über das Bild. Schwarze Flüsse mäandern über feuriges Rot, Grau liegt wie Eis unter Strichen. Sie erinnern an verbranntes Geäst. Im Rahmen einer Ausstellung der Künstlerinnenverbandes Gedok Brandenburg sind diese explosiven Bilder von Marianne Gielen derzeit im Parlamentsgebäude des Landtages, im Potsdamer Schloss, zu sehen.

„Die Kunst – das andere Kapital“ hat die Gedok diese Ausstellung überschrieben. Die Gedok – der Name steht für Gemeinschaft der deutschen und oesterreichischen Künstlerinnen und Kunstförderer e.V. – ist nach eigenen Angaben „der größte und traditionsreichste Künstlerinnenverband im deutschsprachigen Raum“. Deshalb erhielten die Künstlerinnen die Möglichkeit, im Landtag auszustellen. „Wir zeigen keine Einzelausstellungen von Künstlern oder Künstlerinnen. Es soll demokratisch zugehen, wir wollen niemand bevorzugen“, so Ulrike Rüppel, Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit beim Landtag Brandenburg.

Einmal im Jahr erhalten Künstler die Möglichkeit, die weiten Räumlichkeiten des Landtages zu bestücken. Die hohen weißen Wände bieten Möglichkeiten zur Präsentation der Werke, die hinter denen einer Galerie nicht zurückstehen. Weit über hunderttausend Besucher des Landtags würden über das Jahr verteilt die Werke sehen, so Rüppel.

Die Ausstellung der Gedok weiß das Potential der Räumlichkeiten zu nutzen. Gemäß der Gliederung der Kuratoren bestehe das Kapital der Kunst aus Beziehung und Kooperation, Respekt, Sinnlichkeit und Kommunikation, heißt es im Katalogtext. Nicht alle Werke lassen sich diesen Kategorien zuordnen.

Die mit heftigem Pinsel und wilder Farbgebung gemalten Bilder von Marianne Gielen sind wohl der größtmögliche Gegensatz zum fugenlosen Weiß des Innenraums des Landtages und schmücken die weitläufigen Flure. „Magnetfelder“, so der Titel der Bilder. Die abstrakten Kompositionen lassen dem Betrachter viel Platz für eigene Assoziationen. Gerade weil sie nicht narrativ sind und sich nicht festlegen, künden sie umso intensiver von einem Raum jenseits des unmittelbar Sicht- und Erfahrbaren. Eben dem Raum der Kunst.

Die gilt auch für zahlreiche andere Bilder. Die in Burundi geborene Künstlerin Anne-Francoise Cart zeigt abstrakte Kompositionen und schreibt im Katalog: „Das eigentliche Kapital, das wir uns bewahren sollten, ist das der Wahrnehmung des Innehaltens, des sich Einlassens, der Empathie“. Spuren von ihr wahrgenommener Eindrücke verdichteten sich in ihren Bildern, so die Künstlerin.

Elke Pollack experimentiert mit kleinteiligen Arbeiten auf Papier mit Mischtechnik, schichtet, schafft figürliche Anklänge und verwirft sie dann doch wieder. Die Künstlerin baut Städte und reißt sie wieder ein. Sie zeigt, wie sich Narration und Fantasie, Zufall und Bildidee verbinden. Die sonderbaren Blumengebinde und Stillleben von Karin Tiefensee verbreiten einen düsteren, geheimnisvollen Klang. Der fesselt den Betrachter und bringt irgendeine sonderbare Seite im Innern zum Klingen, die im Alltagsbeschäftigung Taumel des konsumierenden Bürgers verschüttet ist.

Die Kunst im Landtag artikuliert das, worum es in der Politik nie und im Leben selten geht: die Seele, die inneren Stimmungen, die Fantasie, die Utopie, die aus dem Alltagsgeschehen hinausträgt und abseits des Materiellen steht. Das ist der Raum der Kunst, der sich auch in der Musik und der Darstellenden Kunst findet: Das ist ihr besonderes Kapital. Die Bildenden Künstler allerdings sind im Gegensatz zu den meist auch nicht sonderlich gut bezahlten Darstellenden Künstlern und Musikern häufig diejenigen, die ihre Werke zu Schleuderpreisen darbieten. Abseits aller stets von allen Seiten geäußerten Wertschätzung für das kulturelle Kapital der Bildenden Kunst und die erhebende Wirkung der Kunstwerke steht es mit der Wertschätzung des ganz realen, materiellen Kapitals und Wertes der Kunst meist nicht sonderlich gut. Die Ausstellung im Landtag macht da keine wirkliche Ausnahme. Gefördert vom Landtag mit Katalog und Bankett hat sie eine vier- oder kleine fünfstellige Summe gekostet. Arbeitszeit und Geld der Künstlerinnen und derjenigen, die für Katalog und Organisation gearbeitet haben, sind praktisch unentgeltlich in die Ausstellung geflossen.

Es ist eine Ausstellung von immerhin 26 Künstlerinnen, die allesamt Fachkräfte mit abgeschlossenem Studium sind. Würde einem Betonbauer, einem Fachverkäufer oder einem Abgeordneten vorgeschlagen, für das Honorar der beteiligten Kunstschaffenden tätig zu werden, er würde sich entrüstet abwenden. Ankäufe der Arbeiten sind nicht geplant. Und ob sich aus der Schau Verkäufe ergeben, ist eher vage.

Es zeigt sich, dass Kunst, wie auch schon zu Karl Valentins Zeiten „schön ist und viel Arbeit macht“, darüber hinaus aber materiell nur selten angemessen entlohnt wird. Aber: „Die Eröffnung war überwältigend“, sagt Marianne Gielen. Viele Reden mit viel Lob auf den Wert und die Großartigkeit der Kunst wurden gehalten, es gab sehr schöne Momente. Vielleicht ist die Kunst doch eher ein flüchtiges Glück, aus dem Augenblick geboren, dem mit kalkulatorischer Bilanzierung ohnehin nicht beizukommen ist.

Zu sehen bis zum 29. März, 8 bis 18 Uhr im Landtag. Die nächste öffentliche Führung ist am 21. Februar, 10 Uhr, mit der Initiatorin der Ausstellung, Gerlinde Förster. Zur Ausstellung erschien ein kleiner kostenloser Katalog

Richard Rabensaat

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