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Kultur: Flüchtige Liebe

Die Oxymoron Dance Company feiert mit „Romeo meets Julia II“ Premiere

Von Sarah Kugler

Die Zeit ist im Wandel und mit ihr die Menschen, die Welt, die Liebe. Gerade die Liebe. Flüchtiger scheint sie geworden zu sein. Flatternd in einer Welt, die immer unruhiger wird. In der kaum noch Zeit ist, irgendwo zu verweilen. Auch die Protagonisten des Tanztheater-Stückes „Romeo meets Julia II“, das am Donnerstag in der Schiffbauergasse Premiere feiert, können nicht verweilen. Wollen es eigentlich auch gar nicht. Zu sehr sind sie auf der Suche. Wonach eigentlich? Nach Zweisamkeit? Nähe? Gefühlen? Oder doch der großen Liebe? Vielleicht auch nach allem. Klar ist nur, sie wollen nichts verpassen. Und so taumeln sie von Partner zu Partner, von einer Liebesgeschichte zur nächsten. Ob sie dabei ihr Glück finden, bleibt fraglich.

Vor sechs Jahren näherte sich die Oxymoron Dance Company unter der Leitung von Anja Kozik dem Thema Liebe. Nun nimmt sie es mit neuer Besetzung und einer völlig neuen Inszenierung wieder auf. Für Kozik, die auch diesmal wieder die Regie innehat, ist das Sujet nicht auserzählt. Kann es eigentlich nie sein, wie sie sagt. „Dafür verändern wir uns viel zu sehr und auch unsere Vorstellung von Liebe.“ Individualismus spiele heute vermehrt eine Rolle in Beziehungen. Was wiederum die Partner vor die große Herausforderung des Kompromisseschließens stelle. Das Stück versuche deswegen einen oder auch mehrere gemeinsame Nenner für das Thema Liebe zu finden.

Inszeniert wird diese Suche auf zwei Ebenen: Die Schauspieler Juliane Götz und René Schwittay – beide aus dem Ensemble des Hans Otto Theaters – sprechen Texte aus verschiedenen Epochen. Else Lasker-Schülers Gedicht „Weltende“ ist gleich zu Beginn zu hören. „Es ist ein Weinen in der Welt“ heißt es dort. Und dann zum Ende hin: „Du, wir wollen uns tief küssen.“ Für Anja Kozik klingt das wie eine Erlösungsformel. „Das ist es, was uns retten kann“, sagt sie. „Der Kuss, das Zusammenkommen. Daran glaube ich.“ Trotzdem hätte sie keine reine romantische Liebesgeschichte inszenieren können. „Das hätte für mich nicht gestimmt“, so die Regisseurin. „Dafür brodelt es in der Welt zu sehr.“

Denn auch das ist ihre Inszenierung: Ein Blick auf die Welt und was sie mit uns macht. Die Texte von Shakespeare bis Heiner Müller zeugen davon, geben dem Stück seine nötige Schwere – die aber sofort wieder gebrochen wird. Durch den Tanz. Moderne Choreografien, die durch viel Improvisation entstanden sind, wie Kozik erklärt. Jeder der fünf Tänzer – Niv Melamed, Ottavio Ferrante, Luana Rossetti, Giovanna Cento und Vera Köppern – hat seinen eigenen Stil, seine eigene Interpretation des Themas mit hineingebracht. „Dadurch entsteht eine Vielfalt, die den Erzählfragmenten ihre eigene Dynamik gibt“, so Kozik. Etwas Clowniges sei dabei, viel Leichtfüßiges, aber auch das Kraftvolle. Etwa wenn zwei der Tänzer mehrere Hebefiguren in ihre Performance einbauen, welche die Kraft symbolisieren, die für eine Beziehung nötig ist. Oder wenn zeitgenössischer Flamencotanz auf die Bühne gebracht wird. Leidenschaftlich sei es dann, auch wenn das Stück nicht bis in die erotische Komponente der Liebe vorstößt, wie Kozik zugibt. Und schmunzelt.

Die Gefühle sind ja auch kompliziert genug. Vor allem der Schmerz, den Liebe mit sich bringen kann und für den sich heute auch zu wenig Zeit genommen wird, wie Kozik findet. „Dabei geht die Reflektion verloren“, sagt sie. Und die sei so wichtig, um sich wieder neu zu öffnen, eine neue Liebe zuzulassen oder vielleicht auch nur, um sich selbst wieder zu lieben. In der Schnelllebigkeit der heutigen Gesellschaft fehle es an der Muße, in die Tiefe vorzudringen. Im Stück schaffen es auch nur wenige der Figuren, diese Tiefe zu finden. Der Rest taumelt an der Oberfläche und gibt sich dem ewigen Wandel der Gefühle hin. Sarah Kugler

„Romeo meets Julia II“, Premiere am Donnerstag, dem 3. August, um 21 Uhr auf der Seebühne in der Schiffbauergasse

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