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Kultur: Fingerzauber

„Made in Potsdam“ begeisterte zur Eröffnung

Ein Lichtquadrat, ein geschmeidiger Körper und ein außergewöhnlicher Sound – mehr braucht es nicht für einen modernen Tanz, der alle Sinne und die Seele anspricht. Mit Howool Baek und Shang-Chi Sun – zwei asiatischen Künstlern – begann Donnerstag das Festival „Made in Potsdam“, das bis morgen Tanzproduktionen vorstellen wird, die mit Unterstützung der „fabrik“ entstanden sind. Und dass die gerade mal 20-minütige Aufführung „Nothing for body“ der Koreanerin Howool Baek diesen Reigen eröffnete, unterstreicht die Einzigartigkeit ihrer Arbeit.

Die sehr schmale junge Frau benutzt ihren Körper auf ziemlich ungewöhnliche Art. Zumeist zeigt sie ihn nur von hinten oder im Profil. Und während der Kopf, ihr Rumpf sowie die Extremitäten vergleichsweise ruhig verharren, entwickeln lediglich ihre Hände und Füße ein ungemein tänzerisches Eigenleben, das von der ersten Minute an bezaubert. Ihre flinken und sensiblen Finger und Zehen bescheren wunderbar kleine und oftmals sehr exotische Bilder und erzählen Geschichten, die man so noch nicht gesehen hat. Ein Arm mit filigranen Fingern wird zur Pflanze, die sich aus Körperöffnungen herauswindet, zwei Hände, die sich aus dem rückwärtigen Schoß der Tänzerin ans Licht kämpfen, symbolisieren neues Leben. Stundenlang könnte man zuschauen, wie Howool Baek immer neue Körperbilder und -landschaften kreierte und dabei ihren Körper buchstäblich bis in die Finger- und Zehenspitzen meisterhaft und mit großer Leichtigkeit beherrscht. Ihre meditative Choreografie ist kongenial verflochten mit dem elektroakustischen Sound von Matthias Erian, der fast schmerzhaft konkret und schwebend zugleich viel Raum für eigene Fantasien lässt.

Nach einer Umbaupause wurde man in völlig andere Tanzwelten entführt. Der taiwanesische Choreograf Shang-Chi Sun entwickelte mit „breakfast“ ein Format, das modernen Tanz und Videofilm in Echtzeit verbindet. Die drei Akteure Annapaola Leso, Ruben Reniers und Fernando Balsera Pita sind dabei Tänzer und Videofilmer zugleich. Ausgangspunkt ihrer einstündigen Performance ist ein Tisch, an dem sie sich versammeln, um zu frühstücken. Dieses „Frühstück“ ist wie eine surreale Inszenierung, die auch auf einer überdimensionalen Videoleinwand dem Publikum filmisch präsentiert wird.

Das fühlte sich an, als säße man live in einem Fußballstadion und sähe gleichzeitig zu Hause fern. In der „fabrik“ pendelte man hin und her zwischen dem realen Geschehen auf der Bühne – hier sah man auch, wie sich die Tänzer bei ihren unterschiedlichen Aktionen filmten – und dem live geschnittenen filmischen Extrakt des Geschehens von Krzysztof Honowski, der auf ausdrucksstarke Nahaufnahmen setzte. Entscheidend war auch, an welcher Seite der Bühne man diesen Abend erlebte. Während man auf der linken Seite bis auf wenige Ausnahmen dem Geschehen ausschließlich filmisch folgen konnte, war auf der rechten Seite immer wieder der Blick in die Totale nötig. Nach ein paar Längen war man noch einmal besonders fasziniert vom Schluss, als mit einfachen Requisiten filmisch ein Gewitterguss entstand. Mit diesen beiden sowohl ausdrucksstarken als auch streitbaren Inszenierungen wurde einem unbedingt Appetit auf mehr bei „Made in Potsdam“ gemacht. Astrid Priebs-Tröger

Am heutigen Samstag, 20 Uhr, Jefta van Dinther und Thiago Granato sowie Malgven Gerbes im T-Werk; um 20 Uhr Antonia Baehr sowie Laura Heinecke und Arne Assmann in der „fabrik“, um 22 Uhr Ek Safar im „fabrik“-Konzert

Astrid Priebs-Tröger

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