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Filmmuseum zeigt Ausstellung über Sam Shaw: Hollywood in Potsdam

Das Filmmuseum Potsdam zeigt Bilder eines großen Kamera-Mannes: Sam Shaw fotografierte Stars wie Marilyn Monroe genauso aufmerksam wie Farmarbeiter.

Potsdam - Das Marylin-Foto machte ihn berühmt. Die ganze Welt sah plötzlich, wie der Luftzug aus dem U-Bahn-Schacht Marylin Monroe das weiße Kleid hochwirbelte und die beanzugten Männer im Hintergrund Stielaugen bekamen. Sam Shaw, Fotograf aus New York, mochte diese Art des Fotografierens. Spontan sollte es sein, eine Randbemerkung, nicht gestellt und keine Pose, auch wenn, welch Ironie, gerade das berühmte Monroe-Bild später im Studio als Werbefoto für Wilders Film von 1955, „Das verflixte 7. Jahr“, nachgebaut wurde. Seinen magischen Moment hat es dabei nicht verloren. Das Bild gehört heute längst zum kulturellen Gedächtnis.

Sam Shaw muss etwas an sich gehabt haben, dass die Menschen ihm Einblick gewährten. Ihn mit seiner Kamera an sich heranließen. Später wurde er selbst zum Filmemacher und produzierte zusammen mit John Cassavetes Filme mit einer unabhängigen, künstlerischen Bildsprache.

Fotos von Promis und Künstlern - aber nicht nur

Ein Fotograf ist er immer geblieben. Das Filmmuseum zeigt jetzt eine Auswahl seines gewaltigen und wunderbaren Bildwerks in der Ausstellung „Sam Shaw – 60 Jahre Fotografie“. Die etwa 150 Schwarz-Weiß-Fotos entstanden in den 1940er-Jahren bis Mitte der 1960er und bei Weitem nicht nur von prominenten Stars und Künstlern. Shaw, geboren 1912 in der Lower East Side Manhattans als Sohn russischer Einwanderer, arbeitete zunächst als Pressefotograf. Er lichtete die Musiker der Jazz- und Blues-Szene ab, reiste quer durch die USA und dokumentierte den Alltag der Landarbeiter und Arbeiter in den Kohleminen, der Frauen und Kinder. Die Bilder zeichnen auf, bilden ab, wie Messbilder der Gesellschaft. Das Mädchen, das vor einer Wand steht und ihr Geschwisterchen trägt – das Baby ist schwer, ihre dünnen Arme können es kaum halten –, das ist das Amerika, das Sam Shaw sieht. Das er mit seinen Bilderb erzählt.

In den 50er-Jahren beginnt Shaw, vermehrt für die Filmbranche zu arbeiten. Er taucht mit seinen Nikon-Kameras an Drehorten auf und fotografiert bald das Hollywood-Personal. Marlon Brando, verschwitzt, und ein sich konzentrierender Alfred Hitchcock. Woody Allen brüllt etwas, vielleicht hoch zu einem Kameramann. Sophia Loren blickt müde, eine Hand hat sie an ihren Hals gelegt. Gary Cooper schaut am Set von „Ariane – Liebe am Nachmittag“ traurig aus, mit einer Zigarette steht er in einem Türrahmen, den Blick gesenkt. Elizabeth Taylor blickt 1961 eher verschmitzt, ein Auge zugekniffen, die Haare vom Wind verwuschelt. Romy Schneider erwischt Shaw im Zoo von Rom. Sie lacht, als sie mit einer Handvoll alter Damen am Zaun eines Geheges steht. Tony Curtis und Burt Lancaster zeigt er als Hochseilartisten in „Trapez“ – beim Ankleiden und beim Fliegen.

Immer wieder Marilyn Monroe vor der Linse

Sein größter Coup sind die Fotos von der Monroe. Er lernt sie bereits 1952 über eine Freundin kennen und wird sie bis zum Schluss ihrer Karriere als Schauspielerin begleiten und immer wieder fotografieren. Die Bilder zeigen, dass es da Vertrauen und Freundschaft gegeben haben muss. Und Wertschätzung – beiderseitig. Nun war Marilyn nie kamerascheu, aber für Shaw muss sie nicht posen. Wenn sie es tut, dann aus purer Lust. So steht sie am Strand und gibt einmal, verführerisch, die „Aphrodite“, dann rauft sie sich als „Medusa“ die Haare. Shaw zeigt sie beim Spazierengehen durch Manhattan, beim Schaufensterbummel. „Ich möchte diese faszinierende Frau einfach so zeigen, wie sie ist, ohne Maske. Beim Arbeiten, aber auch hinter der Bühne, in fröhlichen Momenten und den einsamen“, sagte Shaw einmal.

Auch in Europa ist er als Fotograf unterwegs, an Filmsets. Und oft genug bewegt er sich in den jeweiligen Ländern abseits des Protokolls. Seine Paris-Bilder von 1960 sind ein Kunstwerk in sich selbst, sie zeichnen eine zärtliche Stadt, den Zeitungsleser auf einer Parkbank, der sich erst ordentlich die Schuhe ausgezogen und dann die Füße hochgelegt hat. Verliebte Paare am Seine-Ufer und eine zweiteilige Bildgeschichte: die Putzfrau eines Kinos, die für eine kleine Katze die Tür aufsperrt. Shaw ist Geschichtenfinder. Manchmal fotografiert er auch sich selbst, zum Beispiel Auge in Auge mit einer Taube auf dem Markusplatz, fast wie ein Tourist. Der kleine Unterschied: Das Bild hat einen liebevollen Namen: „Sam Shaw und eine Taube“.

Sam Shaw hinterließ ein umfangreiches Archiv

Er kann auch monumental. Dann lässt er die Menschen einfach nur vor der Kamera stehen, reduziert auf das, was eben da ist – und was den Betrachter bisweilen umhaut. Wie auf einem flandrischen Landschaftsgemälde stehen zwei Frauen mitten in einer Steinwüste, Feld mag man das nicht nennen. Sie tragen identische Kleidung und Kopftücher. Hinter ihnen stehen zwei Windmühlen. Nie wird der Fotograf die Geschichte zu Ende erzählen.

Als Sam Shaw 1999 starb, hinterließ er ein umfangreiches Archiv. Sein Sohn Larry, der ebenfalls Fotograf wurde, kümmerte sich zusammen mit Shaws Töchtern Meta Shaw Stevens und Edith Shaw Marcus um den Nachlass des Vaters. Die Familie gründete das Shaw Family Archives. Inzwischen ist Larry Shaw verstorben, Töchter und Enkel führen die Arbeit fort.

Politik statt Hollywood

Die Ausstellung in Potsdam wird in ganz Europa gezeigt. Kurator Thomas Buchsteiner aus Tübingen sichtete die erste Auswahl, grub sich durch Kartons und Kisten. Die gezeigten Bilder sind unterschiedlicher Herstellungsart. Manche wurden tatsächlich noch von Shaw selbst von Hand im Labor entwickelt, andere später als sogenannte Modern Prints auf hochwertigem Fotopapier nachproduziert. Wenn keine Negative mehr zu finden waren, musste man sich mit digitalen Kopien behelfen. Schwarz-weiß sind sie alle, auch die jüngeren der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg, 1967 in den USA. Da findet Shaw einen für Moment zurück zum Nachrichtenjournalismus, Politik statt Hollywood. Heimat ist es immer.

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