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Das Filmmuseum Potsdam macht ab 15. Januar wieder Programmkino - virtuell. Auch "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergei Eisenstein (1925) ist zu sehen.

© imago/United Archives International

Filmmuseum Potsdam macht virtuelles Kino: Endlich wieder Programmkino

Das Filmmuseum Potsdam hat die pandemiebedingte Zwangspause genutzt, um einen neuen Kinosaal zu eröffnen: im Internet. Er soll durch die Krise helfen, aber auch danach bespielt werden.

Potsdam - Der ziemlich apokalyptisch anmutende Jahresbeginn wird von einer höchst erfreulichen Nachricht aufgemischt: Ab 15. Januar bietet das Filmmuseum wieder Kino an. Zwar wird man noch eine Weile auf die blauen Samtsessel im Saal des Marstalls verzichten müssen, kann sich dafür aber von zuhause aus ein Wunschprogramm zusammenstellen: Das Filmmuseum bietet Teile seines Programms im virtuellen Raum an.

Jeden Monat ein wechselndes Programm

„Kino2online“ heißt der neue, digitale Kinosaal, zu finden unter www.filmmuseum-potsdam.cinemalovers.de. Die Webseite ist bereits online, das monatlich wechselnde Filmprogramm im Video-on-demand-Format erst ab Mitte Januar abrufbar. Dafür muss man sich registrieren, und zahlt dann wie im Kino pro gewünschtem Film. Die Preise sind mehr als moderat: 1 bis 4 Euro pro Film. 

Im "Kino2online" des Filmmuseum Potsdam läuft ab 15. Januar auch "Girls | Museum" von Shelly Silver.
Im "Kino2online" des Filmmuseum Potsdam läuft ab 15. Januar auch "Girls | Museum" von Shelly Silver.

© Filmmuseum Potsdam

Die Filme stehen nach der Buchung 48 Stunden lang zur Sichtung bereit. Filmfans und Dauernutzern wird zudem ein „Freundschaftsabo“ empfohlen: Für 36 Euro gewährt es ein Jahr lang Zugang zu allen Filmen online – und berechtigt, nach Ende des Lockdowns, zum ermäßigten Eintritt an der Kinokasse im Marstall. „Uns war bewusst, dass wir Nachholbedarf im Digitalen haben. Wir hatten aber bisher nicht die Kapazitäten, um das auch umzusetzen“, sagt die Direktorin des Filmmuseums Christine Handke. „Infolge der Corona-Pandemie war das jetzt möglich.“ 

Defa-Szenaristin Christa Kozik wurde am 1. Januar 80. "Kino2online" zeigt unter anderem "Hälfte des Lebens". 
Defa-Szenaristin Christa Kozik wurde am 1. Januar 80. "Kino2online" zeigt unter anderem "Hälfte des Lebens". 

© Ottmar Winter PNN

Den Bedarf, digital aufzurüsten, gab es lange. Jetzt auch die Möglichkeit

Nicht nur, weil die knappen personellen Kräfte jetzt nicht durch analoge Veranstaltungen gebunden waren – sondern auch, weil durch das geschlossene Kino keine Leihgebühren anfielen. So konnten die freigewordenen Mittel in die digitale Aufrüstung fließen. Bei der Umsetzung geholfen hat die Potsdamer Firma Filmwerte GmbH und die Initiative Cinemalovers.

Wie vielfältig das Kino im neuen Online-Saal zu werden verspricht, zeigt ein Blick auf das aktuelle Programm vom 15. Januar bis 14. Februar. Acht Reihen für verschiedenste Filmgeschmäcker und Interessenfelder – und das eine oder andere von der Corona-Pandemie verschluckte Jubiläum. 

Die Jubilare: Christa Kozik, Rainer Simon - und das Kino

125 Jahre Kino zum Beispiel. Am 1. November 1895 hatten die Brüder Skladanowsky im Berliner Varieté Wintergarten die Geburtsstunde des Kinos begründet. Der im Kino2online gezeigte Kurzfilm „Those awful hats“ von 1909 blickt zurück auf die Machart dieser ersten Filme. Dokumentarfilme erläutern die Form des „Ladenfilms“ und die 100-jährige Geschichte des Berliner Movimentos, das zu den ältesten Kinos Deutschlands zählt. 

"Die Farben von Tigua" von Rainer Simon aus dem Jahr 1994 ist auch im virtuellen Programm des Filmmuseums Potsdam dabei.
"Die Farben von Tigua" von Rainer Simon aus dem Jahr 1994 ist auch im virtuellen Programm des Filmmuseums Potsdam dabei.

© Filmmuseum Potsdam

Zwei weitere Geburtstagskinder sind die Schriftstellerin und Defa-Szenaristin Christa Kozik und der Regisseur Rainer Simon. Beide feiern im Januar dieses Jahres ihren 80. Geburtstag. Von Christa Kozik wird neben dem Kinderfilm „Trompeten-Anton“ (Regie: Wolfgang Hübner) ihr heute wohl bekanntestes Werk gezeigt: „Hälfte des Lebens“ (Regie: Herrmann Zschoche), mit Ulrich Mühe als Friedrich Hölderlin. 

Besuche an Orten, die gerade sonst nicht zu besuchen sind

Von Rainer Simon, der für „Die Frau und der Fremde“ 1985 den einzigen Goldenen Bären gewann, der je an eine Defa-Produktion ging, ist das Nachwende-Werk zu entdecken: Dokumentarfilme über die Anden. „Die Farben von Tigua“ von 1994 etwa, eine Annäherung an die Malerdörfer im ecuadorianischen Tigua, 3000 Meter hoch.
Auch mit einer weiteren Reihe macht das Filmmuseum den Weg frei zu Orten, die im Moment nicht besucht werden können: Museen. In Shelly Silvers erst vor wenigen Wochen erschienenem Dokumentarfilm „Girls | Museum“ wird der männliche Blick auf Kunst untersucht.

Potsdamer Drehorte: "Schrott oder Chance", eine Dokumentation über den Abriss der ehemaligen Fachhochschule am Alten Markt von 414films.
Potsdamer Drehorte: "Schrott oder Chance", eine Dokumentation über den Abriss der ehemaligen Fachhochschule am Alten Markt von 414films.

© kristina-tschesch / 414films

Filmisch ins Pergamonmuseum, in die Eremitage und ins alte Potsdam

Mit Jürgen Böttcher, als Maler unter dem Namen Strawalde bekannt, geht es ins „Pergamon-Museum“ (1962), mit Alexander Sokurows „Russian Ark“ nach Sankt Petersburg in die Eremitage. Und wer durch die digital begehbare Ausstellung zu russischem Impressionismus im Museum Barberini neugierig geworden ist auf die unimpressionistische Seite der Revolution von 1905: Unter der Sektion „Stadt, Land, Revolution“ läuft Sergei Eisensteins Klassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ von 1925.

Auch bislang unbekannte Amateuraufnahmen aus dem Potsdam der 1930er Jahre werden virtuell gezeigt. 
Auch bislang unbekannte Amateuraufnahmen aus dem Potsdam der 1930er Jahre werden virtuell gezeigt. 

© Filmmuseum Potsdam

Unter dem Stichwort „Drehort Potsdam“ werden Gebäude wie Interhotel, Garnisonkirche und Alte Fachhochschule als Drehorte entdeckt. In den kürzlich erst wiederaufgefundenen Amateurfilmaufnahmen aus den frühen 1930er Jahren etwa, die hier ihre Premiere erleben. Oder auch in „Schrott oder Chance – Ein Bauwerk spaltet Potsdam“, in dem Kristina Tschech, Elias Franke und Christian Morgenstern die Debatte um den Abriss der Fachhochschule nachzeichnen.

Kino gegen rechts, Kino ohne Schranken

Die Reihe „Kino gegen rechts“ schließlich will mit historischen und aktuellen Filmen Auswirkungen rechter Gewalt zeigen – aber auch Gegenpositionen und Auswege. Den Auftakt macht „Spuren – Die Opfer des NSU“ von Aysun Bademsoy aus dem Jahr 2019.

Was mindestens ebenso erfreulich ist wie diese thematische Bandbreite und die Aussicht auf ein monatlich neu kuratiertes Programmkino in Zeiten des Lockdowns: Das digitale Angebot wird auch nach dem Ende der Pandemie bleiben. Menschen mit Behinderungen und Risikogruppen können dann weiter digital ins Kino gehen. Und auch all die anderen, die auf den Luxus kuratierten Filmeschauens von zuhause aus nicht mehr verzichten wollen. Das Filmmuseum hat das Bestmögliche aus den Einschränkungen dieser Pandemie gemacht. Es hat alle Schranken heruntergefahren.  

Lena Schneider

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