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Film in Potsdam: „Silly – Frei von Angst“ im 250. Filmgespräch

So dicht war man an Silly noch nie dran. Wir sehen Anna Loos ungeschminkt beim Proben zu, hören die Musiker über richtige Einsätze streiten, gehen mit Uwe Hassbecker Zähneputzen.

So dicht war man an Silly noch nie dran. Wir sehen Anna Loos ungeschminkt beim Proben zu, hören die Musiker über richtige Einsätze streiten, gehen mit Uwe Hassbecker Zähneputzen. Regisseur Sven Halfar folgte der Band drei Jahre auf Schritt und Tritt und zeigt in seinem fast zweistündigen Dokumentarfilm „Silly – Frei von Angst“ ein Bandporträt mit all den Ecken und Kanten, die entstehen, wenn vier starke Charaktere um etwas ringen, von dem jeder überzeugt sein will.

Das Filmmuseum war ausverkauft, als Dienstagabend der Regisseur und die beiden Bandmitglieder Uwe Hassbecker und Ritchie Barton den Film präsentierten: anlässlich des 250. aktuellen Filmgesprächs, das vor 25 Jahren von Andreas Dresen ins Leben gerufen und drei Jahre später von Christine Handke und dem Filmverband übernommen wurde.

So wie diese Reihe auf Nähe zu den Machern setzt, bezieht auch der Silly-Film aus der Intimität und Ehrlichkeit seine Kraft. Natürlich musste aus den 200 Stunden Filmmaterial vieles herausgeschnitten werden, erzählt Sven Halfar, aber immer im Sinne des roten Fadens und nicht, um Eitelkeiten zu bedienen. Und die hielten sich offenbar in Grenzen. Auch das Genervtsein von Anna Loos wird gezeigt, wenn sie wieder mal mit ihrer Vorgängerin Tamara Danz verglichen wird. Aber es ist nur eine kurze Sequenz. „Ich bin Anna und nicht die wilde Mathilde. Ich muss mich nicht verbiegen“, sagt sie rigoros.

Natürlich muss in einem Film über Silly auch Tamara Danz auftauchen: dieses Stimmwunder, diese unangepasste Rockerin, der das DDR-Publikum zu Füßen lag. Immer wieder ist sie in Rückblenden und Erinnerungsschnipseln zu sehen, doch nur kurz: für viele vielleicht zu kurz. Aber die heutige Band hat ein neues Leben, eine neue Frontsängerin. Und die gibt sich genauso stark, genauso widerborstig in der Männerriege wie ihre Vorgängerin. Ja, sie schreibt ihre Texte inzwischen selbst, kann nicht mit dem exzellenten Silly-Texter Werner Karma, erfährt man im Filmgespräch. Aber auch Tamara sei eigene Wege gegangen. Das müsse immer möglich sein, sagt Uwe Hassbecker. Viermal war Tamara Danz Sängerin des Jahres, bevor sie im Sommer 1996 im Alter von 43 Jahren an Krebs starb, gepflegt von ihren Bandkollegen. Sehr privat und aufwühlend wird der Film auch, wenn Ritchie Barton erzählt, wie er nach einer sechsjährigen Beziehung Tamara an seinen Bandkollegen Uwe Hassbecker verlor und er die Band verlassen wollte. Es war Tamaras Mutter, die ihn zur Vernunft brachte: „Du wirst doch nicht deine zweite große Liebe, die Band, wegschmeißen.“

„Dreh dich um und schau nach vorn“, singt Anna Loos. Ihre Texte erzählen von Freiheit, von linker und rechter Gewalt, ohne in Metaphern auszuweichen. Die Band hat wieder ihr Publikum gefunden: „von 20 bis 60“, lacht Uwe Hassbecker. Wie ein kleiner Junge zeigt er im Film seine selbst zusammen gefriemelte Technik, seine „elektrische Eisenbahn“. Er fährt weiter mit ihr, schaut im 40. Jahr von Silly nach vorn, den eigenen Nachwuchs im Rücken. Leo, sein jüngster Sohn, foltert das Schlagzeug. Sein großer Sohn Daniel spielt schon seit ein paar Jahren bei Silly Cello und Keyboard. Am 2. Juni sind Silly open air am Schloss Oranienburg zu erleben. Nach diesem Film weiß man, wie eng sie im Bandbus zusammenrücken müssen: in schmalen Betten auf dem Weg zur nächsten Bühne.

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