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Befreundet sind die Musiker über all die Jahre geblieben. Jetzt, nach 20 Jahren, feiern sie ihr Comeback.

© promo

Kultur: Fette Riffs bleiben

Am Freitag spielt die Potsdamer Band Crawfish nach 20 Jahren ein Reunion-Konzert in der fabrik. Vorweg sei gesagt: Die alten Gassenhauer sitzen noch immer.

In den 90er-Jahren waren sie eine ganz große Nummer – zumindest im Osten der Republik. Denn so kurz nach der Wende wurde noch auf beiden Seiten des wiedervereinigten Deutschland ein eigenes Süppchen gekocht. Das galt auch für die Rockband Crawfish, deren Mitglieder eigentlich aus Brandenburg an der Havel stammen, durch das Studium jedoch zu Potsdamern wurden. In Potsdam sind sie auch hängen geblieben – und haben sich jetzt nach langer Abstinenz wieder zusammengefunden: Am kommenden Freitag spielt Crawfish in der fabrik zur Konzertreihe „Sound(g)arten“.

Eigentlich war der musikalische Einfluss dieser 90er-Jahre gar nicht so auf Ost oder West begrenzt: Als die Grunge-Welle rund um Bands wie Soundgarden und Nirvana auch Europa erreichte, erfasste sie natürlich auch die fünf Studenten. Überhaupt war ja – zumindest was die Rockmusik betraf – nie wieder eine Dekade so kreativ, wie sie es damals war. Parallel zum Grunge kamen die Crossover-Einflüsse, die Elemente des Hardcore und Punk mit denen des Hip-Hop verschmolzen, und natürlich die Neuerfindung des in den 80ern schwer verstaubten Heavy Metal, der sowohl aus New York als auch aus der Bay Area in Kalifornien rüberschwappten.

Ein Stück Vereinigte Staaten mitten im wilden Osten

Diese ganze explosive Mischung dieser musikalischen Generation fand sich auch in der Musik von Crawfish wieder, ein Stück Vereinigte Staaten mitten im wilden Osten, der gerade eben noch ein Ostblock gewesen war. Crawfish surften diese Welle: Nicht nur auf irgendwelchen Dorfveranstaltungen, auf denen sie die Gitarre auspackten, sondern besonders auch in den vielen kleinen und noch kleineren Konzertbunkern, die damals an jeder Ecke entstanden. Vor allem in Potsdam: Dort habe man die ganze Gutenbergstraße, damals noch ein Mikrokosmos der Hausbesetzerszene, hoch und runter gespielt, aber auch im Archiv oder kurzerhand bei Bekannten in der Küche. Das Konzert in der Schiffbauergasse ist aber auch eine Rückkehr zu den Wurzeln: Damals sei sogar der Proberaum der Band in der Schiffbauergasse gewesen, als die noch eine gigantische Baustelle war – die heute kaum noch wiederzuerkennen ist.

Und dann der Durchbruch: 1995 gewinnt ausgerechnet die Potsdamer Band den Landesrockwettbewerb, ein Jahr später erscheint ihr Debütalbum „How To Eat“. Kaum zu glauben, aber Potsdam hatte damals eine riesige Indie-Szene mit zahllosen aktiven Bands. Kein Vergleich zu heute: Damals habe niemand für einen Proberaum bezahlen müssen, da musste man sich als Band nur an eine Jugendeinrichtung hängen. Anfang der 90er sei Crawfish sogar auf Tour durch Ost und West gewesen, von Münster bis Magdeburg – komplett bezahlt vom Kulturministerium, dafür sei damals noch Geld dagewesen, sagen Crawfish heute.

Die alten Gassenhauer sitzen immer noch

Eine andere Zeit ist das jetzt, gewiss, und nicht eben leichter für die Musiker. Von Trauer jedoch keine Spur, dafür war die Zeit einfach zu schön. Und wer weiß, vielleicht hätte Crawfish noch eine große Karriere vor sich gehabt – aber irgendwann haben dann doch Jobs und Familie die Oberhand gewonnen. Mittlerweile sind bereits einige der Kinder der Bandmitglieder selbst Musiker. Befreundet sei man all die Jahre aber immer geblieben – bis 2013 die Idee aufkam, die alte Band noch mal zu aktivieren.

Dass Crawfish die 90er-Jahre komplett aufgesaugt haben, von Grunge bis Metal, das hört man jedenfalls noch heute. Na klar: da sind die fetten Gitarrenriffs, die den Crossover so erfrischend gemacht haben damals. Crawfish geht immer noch gut geradeaus, trotz der Metallriffs klingt alles noch sehr melodisch. Ganz besonders der atmosphärische Gesang, bei dem sich nur schwer abstreiten lässt, dass die Einflüsse von Soundgarden und Pearl Jam kommen. Auf dieses metallische Gebrüll, das auch ein Erkennungsmerkmal der 90er, verzichtet die Band jedoch. So spielen sich die Songs größtenteils im Midtempo ab, allerdings mit Ausschlägen nach oben und unten: Songs wie etwa „Depressed“ klingen wie eine Ballade, haben aber diese schleppende Bedrohlichkeit, die ja auch typisch für Grunge war. Aber es geht auch deutlich schneller: Das Stück „Broken Home“ ist eine Adaption des Songs „Broken Home, Broken Heart“ der Hardcore-Punkband Hüsker Dü, ein Brett, das der Schlagzeuger mit Breakbeats vorantreibt. Und was machte man damals am besten zu Crossover? Richtig: springen.

Ein bisschen überrascht war auch die Band davon, wie gut noch die alten Gassenhauer sitzen. Das mag vielleicht auch an der Flüchtigkeit der Songs gelegen haben: Während heute alles schnell und unkompliziert mitgeschnitten und als MP3-Datei verschickt werden kann, musste damals eben so lange geprobt werden, bis die Songs richtig saßen. Und das tun sie auch noch 20 Jahre später. Das ist der Unterschied zu heute: Musik zu machen sei leichter geworden. Aber damit aufzutreten ungleich schwerer. 

Crawfish am Freitag, 12. August, ab 20 Uhr Open Air in der „fabrik“, Schiffbauergasse. Der Eintritt ist frei.

Oliver Dietrich

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