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Festival "Made in Potsdam": Intensive Dialoge

Laura Heinecke, Henrik Kaalund und Shang-Chi Sun eröffneten das „Made in Potsdam“-Festival

Fünf Männer, eine Frau und eine Grünpflanze waren die Akteure des Auftaktabends des dritten „Made in Potsdam“-Festivals, das am Mittwochabend in der „fabrik“ eröffnet wurde und bis zum kommenden Sonntag fünf weitere internationale Produktionen zeigen wird. Die Protagonisten des ersten Abends stellten in drei Produktionen ihre ganz unterschiedlichen choreografischen Handschriften vor, die jedoch eines miteinander verband – die sehr intensiven tänzerischen Dialoge der jeweiligen Akteure untereinander.

„Made in Potsdam“ ist ein Format, das wie ein Scharnier zwischen den (Tanz-)Jahren funktioniert und einmal mehr Potsdam und die Welt und die Welt und Potsdam verbindet. Zwei Produktionen des Eröffnungsabends stellten die Verbindung zur gerade abgelaufenen Tanz- und Musiksaison her; so präsentierte die Potsdamer Choreografin Laura Heinecke jetzt Ausschnitte ihrer im Dezember zur Premiere gekommenen Inszenierung „Invisible Roads“ und der Däne Henrik Kaalund stellte mit „Weit und Breit“ seine bei den Intersonanzen 2013 uraufgeführte Choreografie vor.

Gerade sie ist ein beredtes Beispiel für die Absicht von „Made in Potsdam“, den Dialog zwischen modernem Tanz und zeitgenössischer Musik zu befördern. Kaalund entwickelte zur musikalischen Vorlage des Berliner Komponisten Thomas Gerwin eine eigenwillige Choreografie, die sich nicht nur durch den sensiblen Umgang mit dem spröden Tonmaterial auszeichnete, sondern auch eine ferngesteuerte Grünpflanze (ficus benjamina) als tanzende Protagonistin auf der Bühne etablierte. Das war ungewöhnlich und ästhetisch zugleich, wurde leider durch eine Zwangspause unterbrochen, da die Bewegungsprogrammierung der Pflanze, die ebenfalls dem Tänzer oblag, zeitweilig nicht funktionierte.

Auf diese Weise wurde zwar unfreiwillig, aber wirkungsvoll die Illusion zerstört, dass sich hier Mensch und Natur begegneten. Das geräuschhafte Klangmaterial indessen, so konnte man vom anwesenden Komponisten in der Pause erfahren, stammte wider Erwarten von Alt-Saxophon, Akkordeon und Harfe und wurde in einem aufwendigen Prozess im Studio aufgenommen und unter anderem durch extreme Hörwinkel verfremdet. Auf jeden Fall war sie den Ohren des Publikums zuträglicher als die enervierende Tonspur aus dem monotonen Quietsch-Klopf-Geräusch, die der taiwanesische Choreograf und Tänzer Shang-Chi Sun über seine anschließend gezeigte Choreografie „Uphill“ legte.

Shang-Chi Sun, der in diesem Jahr bereits zum dritten Mal den Eröffnungsabend von „Made in Potsdam“ bestritt, zeigte nach seinem Solo-Auftritt von 2012 jetzt eine Inszenierung mit drei männlichen Akteuren, in der ein sehr intensiver Dialog zwischen asiatischer und europäischer Bewegungsarbeit stattfand. Auf der einen Seite der athletisch-kraftbetonte Ausdruck der Tänzer David Essing und Ross Martinson und dazu immer wieder die intensiv-geschmeidigen Bewegungstechniken von Shang-Chi Sun selbst. Großartig die unterschiedliche Architektur der Körper und die ungemein intensiven tänzerischen Begegnungen des hochpulsigen Trios. Aber: Als die enervierende Tonspur endlich verebbte, war man zunächst erleichtert, aber wenig später genauso überrascht, wie sehr deren Energie die Choreografie eigentlich konstituiert hatte. Wenigstens für kurze Zeit fühlten sich die Bewegungen der Tänzer seltsam verloren im Raum an.

Es war dramaturgisch sehr geschickt, dass Laura Heinecke mit „Invisible Roads“ den Abend beschloss. Kam es ihr doch mehr als zuvor den männlichen Kollegen darauf an, die emotionalen inneren Befindlichkeiten des miteinander schon länger in Beziehung stehenden Paares auszuloten. Und es ist ungeheuer spannend, ihr bei dieser präzisen Feinarbeit zuzuschauen. Eine wie in Sepia eingefärbte fotografische Szene, in der er auf einem Stuhl sitzt und sie daneben steht, zeigt, wie wenig Material sie dafür braucht, und wie genau es sie einsetzt.

Es gelingt mit kleinsten Veränderungen in der Körperhaltung – zum Beispiel genügen hochgezogene Schultern des Mannes oder eine Schiefstellung des Kopfes der Frau – um ganze Beziehungsgeschichten wie in einem Kurzfilm zu erzählen. Das passiert äußerst konzentriert und momenthaft, und der Großteil der Geschichte entsteht dabei im Zuschauer selbst. Und es ist auch großartig, dabei zuzuschauen, wie sich dieses Paar, in dem beide um Autonomie bemüht sind, an einzelnen Punkten zusammenfindet und sich auch immer wieder trennen kann. Wunderbar, wie viel Intimität bei der vorsichtigen Suche nach Gemeinsamkeit sichtbar wird.

Doch es sind niemals schöne Posen, sondern diese beiden probieren miteinander etwas aus; ohne Netz und doppelten Boden – und sie sind dabei so wunderbar lebendig! Das ist auch vom weiteren Verlauf des diesjährigen „Made in Potsdam“-Festivals zu erwarten, das neben vielen bekannten Gesichtern auch die Schweizer Performerin Eugénie Rebetez und erstmalig am Samstag auch eine Tanz-Performance aus der sehr bewegten türkischen Hauptstadt Istanbul in Potsdam präsentieren wird. Astrid Priebs-Tröger

„Made in Potsdam“ findet noch bis einschließlich Sonntag in der Schiffbauergasse statt. Karten und weitere Informationen unter www.fabrikpotsdam.de

Astrid Priebs-Tröger

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