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Kultur: Fernes, unbekanntes Land

„Momente einer Ansicht“: Chinesische Künstler im KunstWerk

Eine ziemlich lange Reihe stolzer Pferde mit ebensolchen Reitern kommt eine chinesische Straße entlang. Stoisch und wegessicher traben die Frauen und Männer an den Fuhrwerken und Autos vorbei, hinein in eine Ausstellungshalle, in der Halle von Bild zu Bild und wieder hinaus. Draußen geben sie sich dem Polospiel aus dem Sattel hin. Merkwürdig, diese Performance, die Zhang Wei aus Bejing, zu dem wir früher Peking sagten, aus einem Sprichwort entwickelte und dann abfilmte. Er wolle damit das Polospiel wieder in das gesellschaftliche Bewusstsein bringen, sagt der Begleitzettel. Reizvoller scheint uns Europäern der Besuch einer Ausstellung hoch zu Ross – aus dem Reitsitz hat man eine andere Perspektive auf das Werk, bleibt in Bewegung und erhaben – so dass man sich vor der hehren Kunst nicht mehr fürchten muss.

Das zumindest ist eine Anregung, die aus dem Reich der Mitte per Video zu uns gelangt, und sofort fällt dem Potsdamer der Kunstraum ein, in den die Pferde-Performance gut passen würde. In die Ausstellung „Momente einer Ansicht“ vereint im Kunstwerk zurzeit sechs chinesische und zwei deutsche Künstler. Schon im vergangenen Jahr wurden dort junge chinesische Künstler vorgestellt – der offene Kunstverein setzt diese Reihe nun mit Blick auf eine mögliche interkulturelle Begegnung junger Menschen aus China und Potsdam fort.

Die zwischen 1965 und 1978 geborenen chinesischen Künstler nutzen mit Fotografie und Video leicht zugängliche Medien, die den Blick öffnen. Nur die beiden Deutschen scheren aus: Kai Jetter bastelt aus Werbeprospekten Collagen, die allerdings nichts wirklich Kunstvolles an sich haben – und Katerine Werner-Negnelli, hat mit Ölfarbe eine Holzpuppe in verschiedenen Bewegungen auf kleine Täfelchen gemalt. Seltsam fremd wirken diese beiden künstlerischen Statements angesichts der drängenden chinesischen Kraft.

Wang Di, selbst Rockmusiker, begleitet seit zwanzig Jahren fotografisch die Entwicklung der von den staatlichen Autoritäten sicher nicht immer gern gehörten Rockmusik in seinem Land und hat seine schrägen Figuren ganz schön schräg angepinnt. Das Ensemble erinnert an eine Jugendzimmer-Fotowand, darauf zu sehen sind Punks mit unglaublich langen, nach oben kunstvoll gedrechselten Haaren, junge Männer mit Gitarre in der Hand, oder kreischende Fans bei einem Konzert. Jeans, Metall und Lederjacken dominieren die Mode, und das Label „Rockbeier.com“ macht Werbung auf punkigen Rücken.

Die Fotografin Yu Gao bemalt das Gesicht ihrer Modelle mit Augen und anderen Symbolen, wirft ihnen Kleider in grellem Rosa über und drapiert sie in einem Kitsch-Milieu, um das Werk dann als Fotografie auf sehr glänzendem Papier festzuhalten. „Körper“ nennt sie diese Reihe, die den Leib als Leinwand nutzt und die Verkleidungslust neu belebt.

Zhu Yan fotografiert stets einen Mann von hinten in einer sich rasch verändernden Umgebung. Ratlos blickt der auf die Hochhäuser, die aus dem Nichts eines ehemaligen Feldes wie Pilze zu schießen scheinen, oder, auf einem anderen Foto, auf die Hütten, die sich vor den Neubauten ducken. So entsteht ein beeindruckendes Sinnbild der raschen Industrialisierung und der daraus resultierenden Vereinsamung des Menschen, der nicht mehr weiß, wohin mit seiner Tradition.

Zhao Hongli, der schon lange in Deutschland wohnt, setzt Püppchen und andere kleine Spielfiguren auf die vier Mitglieder einer (seiner?) Familie. Auf der leuchtenden Kleidung der Porträtierten wirken die Püppchen zunächst wie weiße Mäuse, die die Menschen beherrschen. Doch dann wird das Spiel klar, viel mehr aber auch nicht. Frau Hu Ye hängt einen Digitaldruck neben den Bildschirm und die winzig kleinen, weißen Würmchen auf grauschwarzem Grund könnten das Abbild von kleinsten Teilchen sein – es bleibt ein Rätsel, wie vieles, was uns das Reich der Mitte aufgibt.

„Momente einer Ansicht“ heißt die Ausstellung in dem sicheren Wissen, dass sich die Welt, zumal in China, sehr schnell ändert und man im raschen Wandel nicht mehr als einen Moment zur Stille hat.

Zu sehen bis Sonntag, den 17. Februar, geöffnet Mi-So, 15 bis 19 Uhr, Hermann-Elflein-Str. 10.

Lore Bardens

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